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Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn

Titel: Die Schweigende Welt Des Nicholas Quinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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geprüft?«
    »Selbstverständlich. Und dann diese Geschichte mit dem Sommer-Prüfung-Päckchen. Das kann höchstens Anfang April eingetroffen sein. Die Hälfte der Prüfungsbögen war bis dahin noch gar nicht gedruckt. Und da ist noch eine Unstimmigkeit. Der 20. März ist kein Freitag – jedenfalls nicht nach meinem Kalender. Nein, nein, ich würde nicht zu viel auf diesen Brief geben, er ist bestimmt nicht von einem unserer –«
    »Die Unterschrift erkennen Sie nicht?«
    »Das wäre wohl zu viel verlangt. Sieht aus wie ein Stacheldrahtverhau.«
    »Lesen Sie mal die rechte Seite des Briefes senkrecht von oben nach unten, Sir. Das letzte Wort auf jeder Zeile.«
    Ausdruckslos las Bartlett: »Dein-Päckchen-bereit-Freitag-21.-Tür-drei-Bitte-sofort-vernichten.« Er nickte nachdenklich vor sich hin. »Jetzt wird mir einiges klar, Inspector. Von selbst wäre ich allerdings nie darauf gekommen. Sie glauben, daß George Bland –«
    »– daß George Bland an der Sache gedreht hat, jawohl. Meiner Ansicht nach enthielt dieser Brief Anweisungen, wo und wann er sich das fällige Honorar abholen konnte.«
    Bartlett holte tief Luft und konsultierte erneut seinen Kalender.
    »Nicht ausgeschlossen. Am Freitag, dem 2l., war er nicht im Haus.«
    »Wissen Sie, wo er war?«
    Bartlett reichte Morse den Kalender. Eine der zahlreichen kurzen, sauber notierten Eintragungen unter dem 21. März lautete: GB nicht im Büro.
    »Können Sie ihn erreichen, Sir?«
    »Aber ja, ich habe ihm erst am Mittwoch ein Telegramm geschickt. Wegen Quinn. Sie hatten sich kennengelernt, als –«
    »Hat er geantwortet?«
    »Noch nicht.«
    Morse gab sich einen Ruck. »Ich kann Ihnen natürlich nicht alles sagen, Sir, aber Sie sollten wissen, daß in meinen Augen der Tod von Quinn und Ogleby direkt mit Bland in Zusammenhang steht. Ich glaube, Bland war korrupt genug, um die Integrität des Verbandes bedenkenlos aufs Spiel zu setzen, sofern für ihn etwas dabei heraussprang. Aber auch hier – nicht unbedingt unter den akademischen Mitarbeitern, aber jedenfalls bei Ihnen im Hause – muß es jemanden geben, der eng mit Bland zusammenarbeitet, jemanden, der über die Tätigkeit in der Geschäftsstelle genau im Bilde ist. Für mich steht so gut wie fest, daß Quinn entdeckt hat, wer es war, und deshalb umgebracht wurde.«
    Bartlett zeigte sich nur mäßig überrascht. »Etwas in der Richtung hatte ich erwartet, Inspector. Sie glauben, daß auch Ogleby der Sache auf die Spur gekommen ist und aus dem gleichen Grund ermordet wurde.«
    »Es könnte sein, Sir. Es ist allerdings auch möglich, daß Sie einen falschen Schluß ziehen. Es kann sein, daß Nicholas Quinns Mörder bereits für sein Verbrechen bestraft worden ist.«
    Jetzt war Bartlett ehrlich erschüttert. Die Augenbrauen schnellten in die Höhe, die randlose Brille rutschte in Richtung Nasenspitze. Morse fuhr fort:
    »Ich furchte, Sie können nicht mehr ausschließen, Sir, daß Quinns Mörder hier, direkt unter Ihrer Nase, gearbeitet hat. Daß es Ihr Vertreter, Philip Ogleby, war.«
    Als zehn Minuten später Lewis kam, waren Morse und Bartlett schon dabei, Vorbereitungen für die Sitzung zu treffen. Bartlett sollte alle Mitglieder des Verbandes schriftlich oder telefonisch für Freitag um 10 Uhr zu einer außerordentlichen Generalversammlung einladen. Er sollte im Hinblick auf die Bedeutung dieser Zusammenkunft verlangen, daß die Eingeladenen alle anderen Verpflichtungen absagten, um teilnehmen zu können. Immerhin ging es um den Mord an zwei Mitarbeitern.
     
    Draußen auf dem Gang flüsterte Lewis Morse zu: »Sie hatten recht, Sir. Es hat zwei Minuten geläutet, Noakes bestätigt das.«
    »Sehr gut. Dann können wir wohl zuschlagen. Ist der Wagen draußen?«
    »Ja, Sir. Soll ich mitkommen?«
    »Nein. Gehen Sie schon voraus, wir kommen gleich nach.« Er ging ein paar Schritte weiter, klopfte leise und trat ein. Sie saß am Schreibtisch und unterschrieb Briefe, nahm aber rasch ihre Lesebrille ab, stand auf und lächelte erwartungsvoll. »Noch ein bißchen früh für einen Drink, nicht?«
    »Fehlanzeige – leider. Der Wagen wartet draußen. Nehmen Sie bitte Ihren Mantel mit.«
     
    Am Mittwoch morgen geht der Mann nicht aus dem Haus. Der Zeitungsbote bleibt noch ein paar Sekunden stehen, nachdem er die Times durch den Briefschlitz gesteckt hat, aber heute zeichnet sich kein lukratives Geschäft ab. Der Milchmann bringt einen halben Liter Milch, der Briefträger bringt keine Briefe, der Tag keine Besucher.

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