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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um eine Auskunft bitten …«, sagte Ilse stockend. »Sie sind mir empfohlen worden …«
    Cravelli nickte freundlich. Aha, ein Grundstückskauf. Er überschlug schnell in Gedanken, was es sein konnte. Das kleine Landgut oder der Weinberg? Oder das Hotel am Strand?
    »Darf ich Sie in meine Bibliothek bitten, Signorina? Darf ich Ihnen etwas bringen lassen? Eine Erfrischung? Einen Kaffee? Ein Eis –« Cravelli ging voraus, öffnete die Tür zur Bibliothek, ließ Ilse an sich vorbeigehen und zog dann die Tür zu. Dann eilte er zu einigen Schaltern und verscheuchte die halbdunkle Atmosphäre, die in der weiten Bibliothek lag. Statt der alten Lampen brannten nun versteckt angebrachte Neonröhren mit indirektem Licht.
    »Der Palazzo ist ein wenig düster«, sagte Cravelli und bot Ilse einen tiefen Sessel an. »Ich wollte den Charakter erhalten, jenen halbdunklen Glanz der Renaissance, der noch verschwiegene Nischen schafft. Die moderne grelle Beleuchtung entzaubert und enthüllt zu viel. Da Sie Deutsche sind, müßten Sie die Romantik lieben –« Er lächelte sie an, aber sein Geiergesicht war lauernd und kritisch. Er hatte sich etwas abseits der Beleuchtung in den Schatten gesetzt. Sein Gesicht schwamm in der Dämmerung.
    »Sie haben es schön hier –«, sagte Ilse leise, nur, um etwas zu sagen und am Klang ihrer Stimme Mut zu bekommen.
    »Darf ich fragen, was Sie zu mir führt? Wer hat mich Ihnen empfohlen? Um welchen Ankauf handelt es sich.«
    »Um keinen Ankauf.« Ilse lächelte gezwungen. Die Rolle, die sie spielen wollte, verzehrte fast ihre Kräfte. »Nur eine Frage –«
    »Ich höre, Signorina –«
    »Kennen Sie Dr. Berwaldt?«
    Das kam plötzlich, wie ein Hieb, wie ein Stich ins Herz. Cravelli beglückwünschte sich, daß er im Schatten saß. Sein leichtes Aufzucken wurde von ihm verschluckt. Als er sich vorbeugte, konnte er wieder lächeln.
    »Dottore Berwaldt?« fragte er gedehnt.
    »Ja. Ich suche ihn.«
    »Sie auch?«
    Cravelli war sich unschlüssig, was er denken sollte. Es gab zwei Dinge, die man annehmen konnte: Die Abenteuerlust eines Mädchens, das, von den Zeitungsmeldungen angeregt, sich 100.000 Lire verdienen und eine Schlagzeile erobern wollte, oder das Auftauchen einer raffiniert getarnten Detektivin, die mit unschuldiger Miene erschien und eine Lücke in der Unangreifbarkeit Cravellis suchte.
    »Sie haben die Zeitungen auch gelesen?« fragte Cravelli spöttisch.
    »Ja.«
    »Und was, bitte, soll ich in dieser Angelegenheit tun? Es ist im Augenblick unangenehm genug, im Canale Santa Anna zu wohnen.«
    »Ich dachte, Sie könnten mir helfen, Signore Cravelli –«
    »Wie konnten Sie so denken?«
    »Ich fand Ihre Adresse im Papierkorb Dr. Berwaldts.«
    Das war der zweite Hieb. Er kam noch plötzlicher als der erste, und es war unmöglich, in den Schatten zurückzuweichen. Cravellis Augen weiteten sich. Er spürte die Gefahr, in die er gekommen war. Daß ein Briefkuvert von ihm an Dr. Berwaldt existierte, hatte er nicht bedacht. Bei seiner Durchsuchung von Berwaldts Hotelzimmer hatte er nichts gefunden. Es konnte sein, daß das Mädchen vor ihm bluffte, aber die Sicherheit, mit der sie es sagte, schaltete diese Möglichkeit aus. Dafür wurde die Frage riesengroß: Wer war sie? Wie kam sie an das Kuvert? Wer hatte sie geschickt? Cravelli wurde unruhig. Er gestand sich ein, daß er seinem gefährlichsten Gegner gegenübersaß, dem einzigen Menschen, der einen Beweis gegen ihn in der Hand hatte. Und er wußte, daß es eine Katastrophe geben würde, wenn dieses Mädchen den Palazzo Barbarino wieder verlassen konnte.
    Er sprang auf, ging zum Fenster und sah hinaus. Vor der Treppe wartete die Gondel. Der Gondoliere unterhielt sich mit einigen der Bettler.
    »Ihre Gondel, Signorina?«
    »Ja.«
    Cravelli überlegte weiter. Es war unmöglich, sie heute unschädlich zu machen. Draußen wartete der Gondoliere, und er würde sich von Cravelli nicht wegschicken lassen, wenn er den Auftrag hatte, auf jeden Fall auf die Rückkehr der Signorina zu warten. Es gab nur einen Weg … hinhalten, Vertrauen erwecken, mit List Zeit gewinnen, ihr Versprechungen zu geben, in ihr die Sicherheit zu erzeugen, die blind macht …
    »Sie haben ein großen Geheimnis gelassen ausgesprochen, Signorina«, sagte Cravelli und drehte sich vom Fenster weg. »Natürlich kenne ich Dottore Berwaldt. Wir korrespondierten zusammen und standen in geschäftlicher Verbindung. Auch in das Hotel ›Excelsior‹ schickte ich ein Handschreiben …

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