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Die schweigenden Kanäle

Die schweigenden Kanäle

Titel: Die schweigenden Kanäle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Cravelli und sprang auf. »Sie lügen mich an!«
    »Sie können in Berlin anrufen, man wird es Ihnen bestätigen. Sie ist hier in Venedig, mit den Plänen. Das heißt – sie wird sich an die Polizei gewandt haben, nachdem sie niemand abholte und mich keiner finden konnte. Die Pläne dürften also bei der Polizei sein!«
    »Sie lügen!« brüllte Cravelli wie ein verwundeter Stier.
    »Bitte, fragen Sie bei der Polizei an …« Dr. Berwaldt lächelte breit. »Man wird diese Pläne nur herausgeben, wenn ich es will! Das bedeutet, daß ich mit der Polizei sprechen muß. Das wiederum bedeutet, mein lieber Cravelli, daß man Sie …«
    »Ich möchte Sie töten!« knirschte Cravelli.
    »Sie sehen, ich kann also nichts machen! Auch die beiden Frauen müssen sterben … Mütter von 12 kleinen Kindern … Sie, Cravelli, Sie sind auch ihr Mörder … Sie haben mich 24 Stunden zu früh eingesperrt … Sie hatten es zu eilig –«
    Cravelli atmete heftig. Er erkannte, daß er der Unterlegene war. Er hatte sich selbst in den Untergang gehetzt.
    »Wo ist Ihre Sekretärin jetzt?«
    »Ich weiß es nicht –«
    »Wie heißt Sie? Ich werde sie überall suchen lassen …«
    »Das werden Sie selbst herausfinden müssen, Cravelli. Sie haben hinter mir die Welt abgeschlossen … nun suchen Sie den Schlüssel, sie mir wieder aufzuschließen … Ich bin in der gleichen Lage wie Sie Sie brauchen meine Erfindung, die Welt zu versklaven … ich brauche sie um zwei Frauen zu retten … und beide wissen wir nicht, wie es getan werden soll! Wobei ich zugebe, daß Sie der Teil sind, der schlimmer dran ist –«
    Mit einem Fluch rannte Cravelli aus dem Zimmer. Er meldete ein Blitzgespräch nach Berlin an, aber der Labor-Assistent gab auf alle Beschwörungen keine Antwort und verlangte, Dr. Berwaldt selbst zu sprechen. In ohnmächtiger Wut hieb Cravelli den Hörer auf die Gabel zurück.
    Die Formeln waren in Venedig, sie waren in Händen der Polizei. Das große Ziel lag vor seinen Augen … aber er konnte es nur ansehen, nie erreichen.
    Ein Ausweg, dachte Cravelli. Ein Gedanke! O komme mir doch ein Gedanke. Aber nicht ein Gedanke half ihm, sondern ein äußeres Ereignis, von dem Cravelli wenige Stunden später behaupten würde, es gäbe auch ein Satansglück …
    Ilse Wagner hatte die Aktentasche aus dem Bahnhofsschließfach geholt und bei Signore Barnese abgegeben, der sie sofort in den Hoteltresor wegschloß. »Hier kommt keiner dran, Signorina!« versicherte Barnese. »Hier haben schon Millionen an Schmuck gelegen –«
    Rudolf Cramer wurde wieder gerufen. Der Polizeikommissar wollte ihn noch einmal vernehmen wegen des Falles Ilona Szöke.
    »Am Abend bin ich längst zurück!« rief Cramer aus dem Polizeiboot zu Ilse Wagner und winkte mit beiden Armen. Dann schoß das Boot knatternd auf dem Canale Grande davon.
    Ilse Wagner sah ihm nach, bis es in einen Seitenkanal einbog. Aber ihre Gedanken waren nicht bei Cramer und nicht in der Vorfreude auf den Abend, sondern sie beschäftigten sich mit dem düsteren Palazzo Barbarino Cravellis. Cramer hatte gesagt, daß er sie gesucht habe, und zwar im Canale Santa Anna. Warum suchte er sie gerade dort? Welchen Zusammenhang ahnte er? Gab es eine Spur Dr. Berwaldts, die zu Cravelli führte, die man ihr verschwieg? Warum hatte er die Bettler Venedigs gekauft, Cravelli zu beobachten?
    Eine Fülle von Fragen, auf die er heute abend eine Antwort geben wollte. Eine ehrliche Antwort oder eine Lüge, wie schon sein Name eine Lüge sein sollte?
    Ilse starrte in das leicht bewegte Wasser des Kanals. Die Furcht, die der Palazzo Barbarino ihr eingeflößt hatte, wich dem Drang, der Wahrheit entgegenzugehen. Sie stieß sich von dem Eisengitter der Ufermauer ab und wandte sich zu den Gondelplätzen. Ein Heer von Gondolieris fiel über sie her und pries ihr die Vorzüge der Gondeln. Sie stieg in die erste und sank auf die gepolsterte Bank. Durch ihren Körper jagte wieder die Angst vor dem Kommenden. Da hielt sie die Hände in das kalte Wasser und ließ die Pulse kühlen. Der Gondoliere stieß vom Ufer ab.
    »Wohin, Signorina?«
    »Canale Santa Anna. Palazzo Barbarino …«
    »Si!« Die Gondel glitt weg.
    Im Canale Grande schien noch die Sonne und vergoldete das Wasser. In der Ferne glühte Santa Maria della Salute mit orangenfarbenen Kuppeln. Aus diesem Goldschein hinaus glitten sie in den Canale Santa Anna, in eine andere Welt.
    Hier war es fast schon Nacht. Am Fuße der breiten Marmortreppe standen einige zerlumpte,

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