Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
einer Decke ausbreitete, wurde ich zu einer Beobachterin, ich schwebte über mir und sah den Menschen zu, die in den Garten strömten. Wie hätte ich an einem solchen Ort nicht an Mutter erinnert werden können? Ihre Lebensleistung war durch die Ernennung zur Vorsitzenden der Atlanta Botanical Society gekrönt worden. Hätte man ihr Zepter und Krone verliehen, sie hätte beides nicht mehr abgelegt. »Gott, für Mutter war das hier das Paradies«, sagte ich.
Rusty drehte einen Korkenzieher in den Weinkorken und lachte. »Sie hat diesen Garten mehr geliebt als viele ihrer Mitmenschen, vermute ich.«
»Stimmt.«
So ist das in einer Ehe – nach all den gemeinsamen Jahren muss man nicht mehr erklären, wovon man redet, man weiß es einfach. Man spricht in Codes, und esexistiert stillschweigendes Verständnis, als wäre man zwei Teile eines Ganzen und der eine ließe sich nicht ohne den anderen verstehen.
Meine Gedanken waren so trübe wie eine Schlammwolke, die sich im Wasser bewegt, verändert, auflöst und wieder dunkel auf den Boden legt.
Der Abend war schwül, aber von Süden wehte eine Brise, fast als wäre mir der Seewind bis nach Atlanta gefolgt. Wir tranken unseren Wein und lauschten der Musik. Freunde kamen und sagten hallo. Mein Herzschlag verlangsamte sich, und auf einmal sah ich ein: Ich hatte eine harte Zeit hinter mir, aber das passiert allen einmal, und bestimmt würden wir das überstehen. Schließlich kann man eine Ehe nicht bei jeder Schwierigkeit gleich aufgeben, oder? Meine ganze Entschlossenheit, Rusty meine Gefühle zu offenbaren, war verflogen wie ein aufgeschreckter Reiherschwarm auf einem See.
Zu Hause stellte Rusty den Fernseher an, ich ging zum Lesen ins Schlafzimmer. Rusty folgte mir. »Ellie, was kann ich tun, damit alles wieder normal wird?«
»Ich will nicht, dass alles wieder normal wird.«
Wir saßen nebeneinander auf der Bettkante. »Ich weiß nicht, was du verändern willst.«
»Vielleicht finden wir das im Laufe der Zeit heraus. Ich weiß bloß, dass es … besser werden muss.«
»Das ist etwas ungenau. Nenn mir eine Sache, die besser werden muss«, sagte er.
Ich schloss die Augen. »Ich möchte, dass du freundlich mit mir sprichst. Auch wenn du wütend bist – bleib freundlich. Du wirst so gemein, und das hat etwas in mir absterben lassen.«
Er nahm meine Hände. »Ich hatte nie, nie, nie die Absicht,unfreundlich zu sein. Willst du an dir auch etwas ändern? Oder muss nur ich mich ändern?«
Ich sah ihn an, ohne zu antworten.
»Ellie, ich liebe unser Leben. Wirklich. Das leere Haus war unerträglich. Noch nie habe ich so was Schlimmes durchgemacht.«
»Aber verstehst du denn nicht, dass das Haus zu lieben nicht dasselbe ist wie mich zu lieben?«
»Wovon zum Teufel redest du?« Er sprang auf und lief im Zimmer hin und her wie ein Tier auf der Suche nach einem Fluchtweg. »Liebe ist kein Gefühl, Ellie. Es ist die Bereitschaft zu bleiben. Das ist Liebe. Wenn Liebe ein Gefühl wäre, dann gäbe es nichts als Schwierigkeiten. Gefühle kommen und gehen.«
»Dann sind meine weg.«
Sein Gesicht verwandelte sich im Sekundentakt – Erstaunen, Wut, Ruhe …
Ich hielt, solange ich konnte, die Luft an. »Es tut mir leid, Rusty. Das war gemein.«
»Mit dir stimmt was nicht.«
»Ja, vielleicht, Rusty.« Ich stand auf und sah ihm ins Gesicht. »Vielleicht stimmt mit mir wirklich was nicht. Aber woher willst du das eigentlich wissen, wo dir doch scheißegal ist, was mir wichtig ist oder was ich will oder brauche oder …« Ich atmete tief ein und nutzte die Schocksekunde aus. »Dir ist nur wichtig, dass ich all das tue, was ich für dich tun soll, damit dein Leben einfa
»Das ist nicht wahr.« Sein Körper wurde bei jedem Wort erschüttert. »Ich liebe dich. Ich will nicht ohne dich leben. Ich muss dein Innerstes oder irgend so einen Schwachsinn nicht kennen.«
»Was, wenn ich dich aber so kennen will?«
»Du weißt alles über mich.«
»Es gibt so viel, was ich nicht weiß.«
Er setzte sich aufs Bett und zog mich zu sich. »Du bist nur aufgeregt, Liebling. Die letzte Zeit war furchtbar. Du meinst das alles nicht, was du jetzt sagst. Bestimmt nicht.« Er ließ seine Hände unter meine Seidenbluse gleiten. Ich entzog mich. Er lehnte sich zurück. »Ich weiß, dass es eine schwierige Zeit war, aber bitte, Ellie, liebe mich.«
Ich sah meinen Mann an und wusste, wenn ich ihn jetzt nicht liebte, würde ich es nie mehr können. Ich legte meine Hand auf seine Wange. Er küsste
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