Die Schwere des Lichts: Roman (German Edition)
Ihr ganzes Leben lang habe ich versucht, ihr klarzumachen, daß sie nicht ihr Herz wichtige Lebensentscheidungen treffen lassen kann, denn ich weiß besser als jeder andere, daß solche Entscheidungen nichts als Ärger bringen.
Gewisse Dinge in unserem Leben können wir kontrollieren – und die Liebe KANN eines davon sein. Ellie kann wählen, wen sie lieben und mit wem sie ihr Leben verbringen will. Wenn meine schwer gewonnenen Einsichten jemandem zugute kommen sollen, dann Ellie, und eins weiß ich: Das Herz betrügt uns, daher müssen wir uns bei unseren Entscheidungen von Vernunft und Vorsicht leiten lassen, nicht von Gefühlen. Und natürlich wäre eine Liaison mit diesem Hutchinson aus Alabama völlig albern und unverantwortlich gewesen, der ganz offensichtlich nicht aus den richtigen Verhältnissen für ein anständiges Leben stammt. Rusty mit seiner uns so ähnlichen Familie aus Atlanta, seinem Geld und seinem Ruf paßt viel besser zu Ellie, und ich glaube, ich habe ihr das endlich klarmachen können.
Wenn ich all das in ihrem Alter nur auch gewußt hätte – wenn ich gewußt hätte, wie vergänglich und dumm Liebeist. Bindungsbereitschaft und Vernunft sind die Grundlagen für ein solides und schönes Heim. Ich kann nicht glauben, daß ich früher ganz anders gedacht habe. Ich werfe den Blick zurück auf das Mädchen, das Ihn so geliebt hat, und schäme mich für sie. Natürlich waren das Hormone, nicht Gefühle. Nicht mehr. Nicht weniger.
ch ist.«
D REIUNDZWANZIG
D er Morgen begann und verlief nach dem Muster von langen Ehejahren. Ich stand auf und machte »die Liste« der Dinge, die es an dem Tag zu erledigen galt, wobei ich zu verdrängen versuchte, dass sich das Haus eng und kerkerhaft anfühlte. Ich sah die Post durch und hörte den Anrufbeantworter nach wichtigen Nachrichten ab, bis Sadie kam. Wir hatten ein gemeinsames Mittagessen und einen Besuch am Grab meiner Mutter geplant. Wann immer mir Hutch in den Sinn kam (ungefähr alle fünf Sekunden), verdrängte ich den Gedanken, was dem Hochrollen eines Steins auf einen Berg gleichkam. Aber ich war entschlossen.
Sadie und ich verließen Mutters Grabstelle, wo die Erde in dem Rechteck, in dem sie begraben lag, immer noch frisch war. Ich schaffte es nicht, die Fakten – sie war tot, sie lag in einem Grab, sie war hier begraben – zu etwas zusammenzufügen, das ich wirklich verstand. Am Grab hatte ich eine frische Lilie hinterlassen. Sadie hatte schweigend neben mir gestanden.
Nun gingen wir gemeinsam auf den See zu, auf dem Schwäne wie Plastikverzierungen schwammen. Wir setzten uns auf eine Bank, ich zeigte auf eine Kapelle ein Stück weiter weg. »Ich fand die Kirche da schon immer wunderschön, bin aber nie dringewesen.«
»Gehen wir hin«, sagte Sadie. »Ich wollte schon immer wissen, wie sie innen aussieht.«
Ein Kiesweg führte zu dem Steingebäude, ich hoffte auf eine Klimaanlage. Ich war völlig verschwitzt und von der Augusthitze benebelt. In der Kapelle war eine Zeremonie im Gange. »Komm, schauen wir, was da los ist«, sagte Sadie.
Wir gingen hinein und stellten fest, dass nur das Licht der Nachmittagssonne die Kirche erhellte, Kerzen oder elektrisches Licht gab es nicht. Um ein Seil herum stand eine Menschenmenge und starrte auf etwas, was ich nicht sehen konnte. Ein kahlköpfiger, lächelnder Mönch in einer gelben Robe ging durch die Menge, er trug ein Namensschild.
»Mönche?«, fragte ich Sadie.
»Ein Mönch mit einem Namensschild«, sagte sie. »Ich hätte nie gedacht, dass Mönche so was tragen.« Sie hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. »Ich sehe mal nach, was hier vor sich geht. Bin gleich wieder da.«
Die Menge öffnete sich, atemlos bewegte ich mich vorwärts. Auf einem Tisch hinter einem schwarzen Seil lag ein kreisrundes Kunstwerk mit dem sorgfältigsten und kompliziertesten Muster, das ich je gesehen hatte – ein auf dem Tisch ausgelegtes Mosaik aus winzigen Teilen. Ich beugte mich vor, sah genauer hin und entdeckte, dass das Muster aus Sand gemalt war, ein Kreis aus Symbolen mit gewiss spiritueller Bedeutung. Ich wandte mich an die Frau rechts neben mir, die ihre Hand auf ihr Herz gelegt hatte. »Was ist das?«, fragte ich.
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Das ist ein tibetisches Sandmandala.«
»Was?« Ich schob mich noch weiter vor. Die Schönheit des Kunstwerks, dieses Muster, das ich nie im Leben miteinem Pinsel oder Stift hätte malen können, berührte mein Herz. Das Muster wob
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