Die Schwert-Legende
die Knie, ohne sich in den folgenden Sekunden wieder zu erheben.
Sehr langsam ging Shao auf den Jungen zu. Sie hörte ihn leise murmeln und weinen. Den Kopf hielt er tief gesenkt, die Schultern zuckten, er trauerte um seinen erwachsenen Freund.
Shao legte ihm die Hand auf die Schulter. Ali blickte nicht einmal hoch. Dafür sah die Chinesin über ihn hinweg zu den übrigen Ninja, die sich in fast einer Reihe vor dem Kloster aufgebaut hatten. Sie rührten sich nicht, ihre Schwerter schimmerten in einem matten Glanz, der die Finsternis durchbrach.
Auch sie waren geschockt, aber sie hatten sich ebenfalls an die Regeln halten müssen. Kein Angriff auf Shimadas Todesschloß. Dessen Magie und Kraft war einfach zu mächtig.
Mit schleppenden Schritten ging Shao den Männern entgegen. Sie blickten die einsame Frau starr an, die dicht vor ihnen stehenblieb und nickte.
»Ich möchte mich bedanken, daß ihr gewartet und nicht in das Schloß hineingegangen seid.«
Einer trat aus der Reihe vor. »Weshalb ist er hingelaufen? Kannst du es uns sagen?«
»Er wollte gegen Shimada antreten. Er konnte es nicht überwinden, daß dieser Dämon es wagte, sein Todesschloß in diese Gegend zu stellen. Versteht ihr?«
»Wir hätten ihm helfen können.«
»Das sah er anders. Yakup wollte nicht, daß ihr euch in Gefahr begebt. Ihr müßt ihn da begreifen, Freunde.«
Sie hoben die Schultern, enthielten sich eines Kommentars, nur der Sprecher fragte: »Wo könnte er sein? Was wird Shimada mit ihm vorhaben? Kennst du dich aus?«
»Ich glaube nicht, daß er ihn töten wird«, sagte Shao. »Nein, das bestimmt nicht. Er wird ihn benutzen wollen, um an das Schwert der Sonnengöttin heranzukommen. Die Schwert-Legende muß endlich zu Ende geschrieben werden. So sieht es aus.«
»Willst du etwas dagegen tun?«
»Ja.«
»Kannst du es auch?«
Shao schaute in das unbewegliche Gesicht des Ninja. »Ich werde es versuchen. Ob ich allerdings damit gewinne, ist eine zweite Sache. Jedenfalls muß ich ihn zurückholen.«
»Aber nicht allein?«
»Nein, seine Freunde in London wissen Bescheid. Sie ahnen nur nicht, daß sie ohne Yakup fliegen müssen. Ich werde sie anrufen müssen. Ihr habt Telefon?«
»Ja. In seinem Zimmer.«
»Laß mich hin.«
Shao ging und schaute am Eingang noch einmal zurück. Ali hatte sich wieder erhoben. Wie eine verlorene Figur wirkte er auf der flachen Weite der Felder.
Die Chinesin betrat das Schloß mit wenig guten Gedanken. Ihrer Ansicht nach hatte es Yakup übertrieben. Er hätte in diesem Fall mehr Disziplin beweisen müssen. Sie dachte auch an das Sprichwort, das da hieß: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.
Hoffentlich traf es nicht auf Yakup Yalcinkaya zu…
***
Wieder einmal hatten wir erlebt, wie klein die Welt im Zeitalter des schnellen Überschallreisens doch war. Von London bis nach New York in knapp drei Stunden.
Dort umsteigen, dann in Richtung Norden, wo uns das unendlich weite Kanada erwartete.
Wir flogen im Militärjet über die Provinz Quebec hinweg. In Fort Chimo wurde zwischengelandet und aufgetankt. Weiter ging der Flug über das Wasser hinweg in Richtung Baffin Island.
Für mich stand dieser Fall unter keinem guten Stern. Von Shao hatten wir erfahren müssen, daß Yakup verschwunden war. Shimadas Todesschloß, mit dem auch wir schon unsere nicht eben freundliche Bekanntschaft gemacht hatten, trug dafür die Verantwortung. Es hatte unseren stürmischen Freund gefangen.
Normalerweise hätte er kaum eine Chance gehabt, dieser Festung zu entfliehen, doch Shao hatte uns trotz allem Mut gemacht, denn sie rechnete damit, daß Shimada Yakup als eine Art Geisel behalten wollte, um an das Schwert heranzukommen.
Wo wir die Waffe suchen sollten, das wußten die Götter. Wir mußten uns da auf Shao verlassen, die irgendwann mit uns in Kontakt treten wollte. Baffin Island. Diese gewaltige Insel im nördlichen Eismeer kannte ich nur vom Hörensagen.
Kalt, menschenleer, viel Natur, Wasser und natürlich Schnee und Eis, auch im April.
Der Jet setzte zur Landung an. Ich war auf dem Flug eingeschlafen und fühlte mich nicht so kaputt, als wir ausstiegen und einen Vorgeschmack von dem bekamen, was uns erwartete.
Von der Frobisher Bay her wehte uns Eis entgegen. Der Wind stach in die Gesichter. Ich drehte schnell den Kopf zur Seite, damit er mich am Nacken erwischte.
Hier nutzten auch die gefütterten Jacken nichts. Man würde uns sicherlich mit anderer Kleidung versorgen. Auf dem Flugfeld wartete
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