Die Schwert-Legende
Dimensionen, zwischen den Zeiten geraten, um sie an irgendeinen Ort dieser Welt zu bringen, wo sich auch das Schwert befand. Das kusanaginotsurugi - Das Schwert, welches Gras bezähmt -, wie oft hatte der junge Ali diesen Namen schon geflüstert. Obwohl er die Waffe nicht einmal gesehen hatte, stand für ihn bereits fest, daß er sie liebte. Vor seiner Zellentür blieb er für einen Moment stehen. Er wohnte nicht weit von seinem väterlichen Freund und Mentor Yakup entfernt. Von ihm hatte er viel gelernt, nicht nur, was den Umgang mit den Waffen anging, auch die Einstellung zum Leben, denn darauf kam es tatsächlich an. Es war nicht wichtig, wie schnell ein Mann die Waffe einsetzte, er zählte als Held, wenn er siegte, ohne die Waffe zu gebrauchen. Setzte er sie jedoch ein, dann mußte er sie auch bis zur Perfektion beherrschen. So sahen es die Gesetze vor.
Dicht hinter der Zimmertür blieb Ali stehen. Er strich durch sein dunkles, kräftiges, kurzgeschnittenes Haar. Siebzehn Jahre war er inzwischen geworden, fast schon ein Mann.
Leise drückte er die Tür zu. Sein Blick fiel auf das karge Bett. Karg war die gesamte Einrichtung, auch das schlichte Holzregal. Auf den Brettern aber standen die Bücher, die besten Begleiter eines Menschen durch das Leben, wie mal jemand gesagt hatte. Ali hatte sie nicht nur gelesen, sondern regelrecht durchgeackert und studiert. Er kannte die Worte der großen orientalischen Philosophen und dachte immer wieder daran, wie stark sich sein Leben verändert hatte.
Aus Nordafrika war er gekommen. Ein grausames Schicksal hatte ihm die Eltern von der Seite gerissen. Er hatte Freunde getroffen — John Sinclair, Suko, Bill Conolly, war nach London gekommen, hatte kurz bei der Familie Conolly gewohnt, bevor ihn Yakup als seinen Schüler mit in die Staaten genommen hatte.
Er lebte verbunden in den alten Traditionen und hoffte, ein guterund gerechter Erwachsener zu werden.
Ali ging auf sein Bett zu. Es stand unter dem Fenster. Wenn er auf dem Rücken lag, konnte er durch die Öffnung schauen und den blauen Himmel über Kalifornien sehen.
Ein schönes Bild, beruhigend vor allen Dingen.
Mittags ruhte er zumeist. Er fiel auch das öfteren in einen Schlaf, nur an diesem Tag wollte es ihm nicht gelingen, weil er einfach zu aufgewühlt war.
Ihn störte nicht nur, daß Yakup sich nicht gemeldet hatte, es war noch etwas anderes.
Eine beklemmende Furcht, die sich in seiner Brust festgesetzt hatte. Die Furcht konnte er nicht unterdrücken, obwohl Yakup ihn diese Methoden, es zu schaffen, gelehrt hatte. Sie blieb einfach, und Ali hatte ihr auch einen Namen gegeben.
Todesangst…
War es tatsächlich die Todesangst, die ihn dermaßen aus der Ruhe brachte?
Nur - wovor hätte er die schreckliche Angst haben sollen? Vor der nahen Zukunft? War sie etwa mit seinem Tod verbunden, mit einem fürchterlichen Mord, ausgeführt von einerschrecklichen Gestalt, die auch die lebende Legende genannt wurde?
Ali hörte sich selbst laut und unregelmäßig atmen, was ebenfalls ungewöhnlich war, denn man hatte ihm beigebracht, den Atem unter Kontrolle zu halten.
Verrate dich nie durch deinen Atem. Gib dem anderen keine Chance, etwas von deinem Zustand zu erkennen.
Ja, die Sätze waren fest in seiner Erinnerung verwoben. Aber Theorie und Praxis sind zweierlei Dinge, zudem war Ali noch jung, er gehörte zu den Schülern, er lernte noch.
Zwischen den Mauern und Wänden des einsamen Bergklosters herrschte die tiefe Stille der Meditation. Nicht ein Schritt unterbrach die Ruhe. Später, am Nachmittag, würden sich die Ninja wieder erheben und ihren normalen Arbeiten nachgehen.
Alis Blick glitt weg vom Fenster und streifte über die Rücken seiner zahlreichen Bücher. Er überlegte, ob er eines davon aus der dicht gepreßten Reihe hervornehmen und lesen sollte, bis ihm einfiel, daß er die Ruhe nicht besaß.
So blieb er in seiner Haltung liegen und schloß die Augen. Vielleicht würde der Schlaf sich irgendwann einfinden, er brauchte ihn einfach, um sich zu erholen.
Ali schaffte es nicht.
Die innere Unruhe ließ sich einfach nicht vertreiben. Der Junge spürte die Wärme auf der Haut, schwang sich vom Bett und schritt auf das schlichte Steinwaschbecken zu, über dem ein Wasserkran schwebte, den er aufdrehte.
Die kalte Flüssigkeit rann in einem fingerdicken Strahl hervor und in seine auffangbereiten Hände. Er spritzte das Wasser in sein Gesicht, trocknete sich mit einem bereithängenden Handtuch ab und wollte sich
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