Die Schwerter von Zinjaban
verlachten sie uns bloß.
Charvadir suchte sogleich den Bezirksritter auf, welcher uns des Versagens zieh, weil wir den Durchbruch der Kutsche nicht verhindert hätten – was stellt er sich vor? Hätten wir die in fliegendem Galopp an uns vorübersprengenden Ayas vielleicht bei den Hörnern packen sollen? – und versprach, den Zwischenfall nach Mishe zu melden. Unterdessen fertigt uns der Zimmermann in Qantesr einen neuen Schlagbaum.«
Mit aufgesetzter Gleichgültigkeit verließ Reith den Grenzposten, schlenderte den Pfad zurück, bis er den Blicken der Grenzwächter entschwunden war, und schlug sich dann durch den dichten Wald zurück zur Grenze, um die Absperrungsanlagen in Augenschein zu nehmen. Sie bestanden aus nichts weiter als einem simplen Lattenzaun, der stellenweise schon morsch und hier und da sogar ziemlich schief schien.
Zurück in Qantesr, suchte Reith den Zimmermann auf und mietete sich eine seiner Sägen. Als Roqir unterging, ritten er und Timásh zur Grenze; den dritten Aya nahmen sie mit. Bevor sie die Grenze erreichten, saßen sie ab und führten ihre Ayas durch den Wald zu dem Abschnitt des Zaunes, den Reith bereits untersucht hatte. Als Reith sich mit seiner Säge an die Arbeit machte, sagte Timásh: »Sir Fergus, die Ayas könnten diese kleine Barriere mit Leichtigkeit überspringen. Warum sägt Ihr eine Lücke in sie hinein?«
»Weil es sein könnte, dass wir in großer Hast zurückkehren, und ich möchte einen solchen Sprung nicht in der Finsternis wagen … Komm!«
Sie führten ihre Ayas durch die neuentstandene Zaunlücke und nahmen Kurs auf Vizmans Lager. Nicht lange, und sie sahen durch die Bäume eine Lichtung, auf der ein Dutzend kleine Zelte sich um ein einzelnes, sehr großes drängten, wie Schweinchen um ihr Muttertier.
»Bleib hier stehen und binde die Ayas fest«, befahl Reith mit gedämpfter Stimme. Aus einem kleinen Sack nahm er eine Handvoll Ruß und rieb sich damit das Gesicht, die Ohren und den Hals ein, bis er in der Dämmerung aussah wie ein Enthaupteter. Danach rieb er seine Hände und Handgelenke ebenfalls ein und befahl Timásh, das Gleiche zu tun. Als sie beide fertig waren, sagte er: »Und jetzt binde die Ayas wieder los und halte sie bei den Zügeln. Wenn ich zurückkomme, werden wir keine Zeit haben, um erst umständlich Knoten zu lösen. Halte dein Schwert bereit und bedenke: Im Kampf ist ein guter Stoß soviel wert wie ein halbes Dutzend Streiche. Wo ist mein schwarzer Umhang?«
Während der nächsten halben Stunde – inzwischen hatte sich die Dunkelheit unter einer dicken Wolkendecke über das Land gelegt – erkundete Reith im Schutze von Büschen und Bäumen die Umgebung der Lichtung. Hell brannten die Lampen im Hauptzelt – zweifellos das Zelt des Dour –, während die Lichter in den kleinen Zelten nur schwach glommen. Die Tiere waren auf einer zweiten, angrenzenden Lichtung angebunden. Reith konnte ihr unruhiges Stampfen und Scharren hören und ihren durchdringenden Geruch wahrnehmen.
Im Schein eines verglimmenden Kochfeuers konnte Reith zwei Wachtposten ausmachen, die in einander entgegengesetzter Richtung durch das Lager patrouillierten. Er postierte sich in der Nähe der Stelle, wo die zwei sich begegneten, die Parole austauschten, salutierten und weitergingen. Sobald beide ihm den Rücken zugekehrt hatten, spannte und lud er Alicias Armbrustpistole und stahl sich in geduckter Haltung in das Lager. Er schlüpfte in eine der Lücken zwischen den kleinen Zelten und legte sich flach auf die Erde, praktisch unsichtbar in seinem schwarzen Umhang und mit seinen rußgeschwärzten Händen und Gesicht. Nachdem die Wachen erneut vorbeipatrouilliert waren, robbte er sich zu dem großen Zelt in der Mitte vor, das von dem Ring aus kleineren Zelten durch einen mehrere Meter breiten Streifen grasbewachsenen Terrains getrennt war.
Eine weitere Viertelstunde lang blieb er regungslos auf dem Boden liegen. Wie er es erwartet hatte, wurde dieser Bereich ebenfalls von einem Wachtposten patrouilliert, der das Hauptzelt umkreiste. Als er sich schließlich weiter zum Eingang des Zeltes vorrobbte, stellte er fest, dass dieser von zwei weiteren Posten bewacht wurde. Er kroch vorsichtig zurück, bis die Krümmung des Zeltes sie aus seinem Blickfeld verschwinden ließ.
Da er keine Vorstellung von der inneren Architektur des Zeltes hatte, wusste er natürlich auch nicht, in welchem Bereich Alicia zu finden sein würde. Also blieb er erst einmal weiter reglos liegen und
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