Die Schwerter von Zinjaban
Es ist nämlich alles andere als eine lustige Geschichte.«
»Ich suche keine Unterhaltung; aber ich will wissen, was geschah.«
»Na schön.« Sie setzte sich zu ihm auf die Bettkante, blieb aber stumm, bis Reith den Brief hervorholte, der mit ihrem Namen unterzeichnet war. »Ach, übrigens, hast du das geschrieben?«
Alicia überflog den Brief. »Nein! Ich habe noch nie etwas geschrieben, was auch nur im Entferntesten – ich hoffe doch, du glaubst nicht etwa, dass ich jemals … also wirklich …«
»Es kam mir schon komisch vor, aber ganz sicher konnte ich natürlich nicht sein. Ich glaube, das ist auf Minyevs Mist gewachsen.« Nach einem erneuten Schweigen fragte er: »Wie haben sie dich aus Bagháls Nachtclub rausgekriegt?«
»Einer der Krishnaner erzählte mir, es hätte einen Mordversuch gegeben; und das Opfer, ein Terraner, läge im Sterben. Aber niemand könne seine Sprache verstehen, deshalb würden sie nicht einmal herauskriegen, wer er überhaupt sei. Sie baten mich mitzukommen und zu dolmetschen, und sie versprachen, sie würden mich in ein paar Minuten wieder zurück in den Club bringen.
Ich hätte das natürlich mit dir abklären müssen oder zumindest Cyril und Gashigi Bescheid sagen müssen, wohin ich gehe; aber die beiden Krishnaner waren so aufgeregt, dass ich gleich mit ihnen rausgestürzt bin. So kann’s einem ergehen, wenn man überrumpelt wird.«
»Ich weiß«, murmelte Reith. »Selbst kluge Leute sind gegen so was nicht gefeit.«
»Draußen auf der Straße wartete eine Kutsche. Kaum saß ich drin, da packte mich auch schon einer von den Kerlen und hielt mich fest; ein anderer schlang mir einen Streifen Stoff ums Gesicht, drehte mir die Arme um und legte mir eine Art Handschellen an.
Als die Kutsche offenes Terrain erreicht hatte, nahmen sie mir den Knebel ab, weigerten sich aber, mir auf meine Fragen zu antworten. Im Licht des Morgens erkannte ich in dem kleinen Burschen mit dem roten Bart zu meiner Linken Minyev wieder. Er wollte auch nicht mit mir reden.
Über die Reise gibt’s nicht viel zu erzählen, außer dass ich mich nie an Rastpausen gewöhnen konnte, bei denen zwei Krishnaner permanent neben mir standen und aufpassten, dass ich nicht abhaute.
Heute gegen Mittag – ich schätze, es ist inzwischen schon gestern – überquerten wir die Grenze zu Qirib, und ich wurde in Vizmans Zelt geschleift. Sie nahmen mir meine Fesseln ab, ich durfte mich waschen und bekam was zu essen. Wie hast du es bloß geschafft, uns so schnell einzuholen?«
»Timásh und ich sind halt geritten wie der Teufel. Aber erzähl weiter; ich möchte alles wissen.«
Nach einem weiteren Augenblick des Schweigens fuhr Alicia mit ihrer Geschichte fort. Man hatte sie in einen abgetrennten Teil des Zelts von der Größe eines mittleren Schlafzimmers gebracht, ausgestattet mit allem Luxus und aller Eleganz eines Palastgemaches. Es gab zwei bequeme Sessel, eine Frisierkommode, ein Waschbecken und einen Tisch, alle verziert mit Vizmans königlichem Wappen, einem Gott, der auf einem Seeungeheuer reitet. In einer Ecke befand sich ein großes Bett mit einer spitzenbesetzten Decke.
Auf dem Tisch stand ein dreidimensionales Farbfoto von Alicia, dessen Rahmen aus vergoldetem Silber mit Rubinen, Smaragden und Saphiren besetzt war. An das Foto konnte Vizman nur über einen Fotografen in Novo gekommen sein, da die Fotografie auf Krishna noch in ihren schwarz-weißen Kinderschuhen steckte.
Nachdem ein Diener in grün-purpurfarbener Livree das Geschirr abgeräumt hatte, machte Alicia es sich auf dem Bett bequem, um ein Nickerchen zu halten. Aus dem Nickerchen wurde indes nach all den schweren Strapazen der Entführung und der Reise ein langer, tiefer Schlaf. Als sie erwachte, war es dunkel. Draußen stimmten die Nachtwesen Krishnas ihre Serenade aus Schnalz-, Zirp-, Triller- und Summgeräuschen an.
Die Tür des Zeltes öffnete sich plötzlich, und Minyev, jetzt wieder ohne seinen falschen roten Bart, kam herein und erkundigte sich unterwürfig auf mikardandou nach Alicias Befinden: »Ah, meine verehrte Dame! Ich hoffe, Ihr habt gut geschlafen?«
»Minyev, was zum Teufel soll dieser ganze Mummenschanz?«
»Das werden wir gleich erörtern. Wünscht Ihr einen frischen Imbiss?«
»Nein; das Abendessen, das ich bekommen habe, war ausreichend. Und jetzt beantworte mir meine Frage, verdammt noch mal!«
»Darf ich mich setzen, meine Dame?« fragte er und setzte sich, ohne eine Antwort abzuwarten. »Ich sagte immer,
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