Die Schwester der Nonne
sie selbst entscheiden.«
Walburga kam hereingeschlurft.
»Draußen bittet der Bürgermeister und der gesamte Stadtrat um Einlass.«
Hieronymus hob erstaunt die Augenbrauen.
»So, so? Bin ich also wieder gesellschaftsfähig? Oder braucht die Stadtkasse wieder eine kräftige Auffrischung? Dazu ist der alte Hieronymus wohl gut genug.«
Philomena beschwichtigte ihn.
»Trage es ihnen nicht nach. Vielleicht haben sie ihren Irrtum auch eingesehen.«
»Irrtum?«, ereiferte sich Hieronymus. »Der Stadt verwiesen haben sie mich, nur weil du Jüdin bist … äh … warst. Aus dem Stadtrat haben sie mich geworfen. Mit den Fingern haben sie auf mich gezeigt. Jetzt buhlen sie also wieder um mich. Sie haben die voll bepackten Wagen gesehen. Wenn sie Geld brauchen, dann greifen sie in jeden Beutel. Aber lasst sie nur ein. Sie sollen nicht sagen, ich wäre ein Geizkragen. Wenn man in dieser Stadt leben will, muss man sich wohl oder übel mit ihnen arrangieren. Es hat manchmal auch seine Vorteile. Gegen einen Beutel Münzen kann man sich so manches Privileg von ihnen erkaufen, nicht wahr?«
Der Bürgermeister war eine Respektsperson, und alle Anwesenden außer Philomena verließen den Raum. Es gab noch allerhand vorzubereiten.
Mit einem schiefen Grinsen näherte sich der Bürgermeister.
»Ich freue mich, Euch wohlauf zu sehen, Preller. Und Eure … hm … Gattin auch.«
»Sie ist meine Gattin, Bürgermeister, angetraut zu Krakau, Christin wie Ihr. Aber das ist wohl nicht der Zweck Eures Besuches. Steht es so schlecht um die städtischen Finanzen?«
Der Bürgermeister wand sich wie ein Aal.
»Lieber Preller, mitnichten! Einzig und allein die Freude über Eure Heimkehr bewog mich … nun ja, in einer Stadtkasse kann nie genug Geld sein und wenn Ihr aus Freude über Eure Heimkehr … also, wir planen den Ausbau einer neuen Ratsstube, und die Stadtmauer muss an einigen Stellen auch dringend erneuert werden, und im Ratskeller fehlt es an Stühlen …«
»Ich habe verstanden, lieber Bürgermeister.« Hieronymus seufzte. »Was tut man nicht alles für seine geliebte Heimatstadt, auch wenn sie einen nicht gerade freundlich behandelt hat. Ich bin des Reisens müde, ich will hier meinen Lebensabend verbringen.« Noch einmal warf er dem Bürgermeister einen bohrenden Blick zu. »Mit meinen Töchtern, meinen Schwiegersöhnen und meinen Enkeln, habt Ihr das verstanden?«
»Aber gewiss, lieber Preller. Ihr seid ein lieber und gern gesehener Bürger unserer schönen Stadt, und Eure liebreizende Gattin und Eure Töchter und Schwiegersöhne … da gibt es wohl bald eine Hochzeit?«
»Doppelhochzeit, lieber Bürgermeister, Doppelhochzeit.«
Ganz so enthusiastisch waren Klaus und Thomas nicht, als sie am nächsten Morgen gemeinsam mit Hans und einem Fuhrwerk hinaus in die Aue fuhren, um Katharina zu holen. Der Wagen war dick mit weichem Heu ausgepolstert, und wollene Decken lagen obenauf. Eine Plane schützte vor allzu neugierigen Blicken.
Griseldis machte allerdings Spektakel.
»In der Stadt kann ich die Kranke nicht versorgen«, erklärte sie kategorisch. »Da ist die Luft so schlecht und mir fehlen die Kräuter.«
»Die hast du doch in deinen Töpfchen und Flaschen und Beuteln. Um diese Jahreszeit wächst gar nichts mehr draußen. Daheim hat Katharina ihr Bett und gute Pflege.«
»Eben, da reden mir die Weiber alle drein, ich brauche sie nicht, ich mach das allein oder gar nicht.«
Sie verlegten sich auf inständiges Bitten und Flehen, schließlich drohten sie ihr, die Hütte anzustecken, wenn sie nicht mitkäme.
»Ihr Ungeheuer, eine alte Frau so zu ärgern«, schnaubte sie. »Außerdem kann ich meine Ziege nicht allein lassen.«
»Nimm sie mit«, riet ihr Thomas, und dann packte Griseldis laut schimpfend alle Kräuter und Tinkturen ein, band ihre Ziege an den Wagen und legte Katharina vorsichtig hinein. Griseldis hatte ihr einen Trunk aus Schlafmohn bereitet, der ihre Schmerzen linderte und sie den Tag in einem Dämmerzustand verbringen ließ.
Hieronymus weinte wie ein kleines Kind, als er Katharina wiedersah. Sie wurde ins Haus gebracht und liebevoll gepflegt, bis ihre Wunden verheilten. Jeder in der Stadt betete für ihre Genesung.
Griseldis blieb den Winter über samt ihrer Ziege im Prellerschen Haus. So wunderlich die Alte war, aber sie wusste gegen jedes Zipperlein einen Rat, und selbst Hieronymus’ eingefallene Lenden erwachten noch einmal zu neuem Leben. Philomena wusste das sehr zu schätzen.
Solcher Art Hilfe
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