Die Schwestern des Lichts - 3
waren wahrlich ein Wunder – ruhig und friedlich, und das an einem Ort, der einst der Paß durch eine der gefährlichsten Gegenden der Welt gewesen war: die Grenze. Doch die Grenze war mittlerweile verschwunden. Die Wälder jedoch waren ein Ort der Heiterkeit, erfüllt von einer fast greifbaren Ruhe, die, wie Zedd wußte, nicht natürlich war. Diese Eigenschaften waren ihnen durch die geschickten Hände einer Frau zuteil geworden, die in diesem Augenblick mit Flüchen um sich warf, die derb genug waren, einen kampferprobten Sandarischen Krieger erröten zu lassen.
Dabei hatte er mit eigenen Augen gesehen, wie einer der Sandarischen Soldaten seine Königin mit einem Fluch in Ohnmacht hatte fallen lassen. Dafür hatte der Mann natürlich mit dem Strick gebüßt. Der Gute hatte auch dem Henker noch das eine oder andere mitzuteilen, und das wiederum hatte ihm keinen sauberen Fall eingebracht, sondern die Gelegenheit, im Hängen noch einen letzten wortreichen, wenn auch vulgären Eid loszuwerden. Die anderen Lanzenträger schienen den Handel seines Preises wert zu finden.
Die Königin ihrerseits fand offenbar niemals ganz zu ihrer zarten Empfindsamkeit zurück, weshalb sie in der Folge ständig beim bloßen Anblick eines Lanzenträgers in einem ungeheuerlichen Rot erblühte, woraufhin sie von ihren Bediensteten heftig befächelt werden mußte, um bei Bewußtsein zu bleiben. Wahrscheinlich hätte sie sie alle hängen lassen, hätten sie ihr nicht bei mehr als einer Gelegenheit den Thron gerettet – von ihrem zierlichen Hals ganz zu schweigen. Doch das war lange her, hatte sich in einem anderen Krieg abgespielt.
Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, atmete Zedd tief durch und genoß die saubere, kühle Luft in vollen Zügen. Er bückte sich und pflückte eine trockene, verwelkte Rose und erweckte sie mit einem Hauch Magie zu neuer Blüte. Die gelben Blütenblätter breiteten sich aus und schwollen an vor neuer Lebenskraft. Die Augen schließend, sog er den Duft der Blume tief ein, dann steckte er sie sich in aller Ruhe an sein Gewand, gleich über seiner Brust. Er hatte keine Eile.
Es war nicht klug, eine Magierin bei einem Wutanfall zu stören. Durch die geöffnete Tür drang ein ernsthafterer Fluch, als das Ziel des Zornesausbruchs der Magierin schließlich zur Rechenschaft gezogen wurde. Mit einem Hieb des stumpfen Endes einer Axt wurde das Ding durch die Tür geschleudert. Die kleine, gepanzerte Bestie landete zu Zedds Füßen auf dem Rücken. Zappelnd klickte und knurrte sie, während sie mit ihren Klauen herumstrampelte und versuchte, sich aufzurichten. Die Axt schien ihr nichts auszumachen, genausowenig wie der kurze Flug und die harte Landung.
Widerlicher Greifer. Es war ein Greifer gewesen, der sich damals in Adies Knöchel verbissen hatte. Wenn ein Greifer einen erst mal hatte, wurde man ihn praktisch nicht mehr los. Er hielt sich mit diesen Klauen fest, bohrte einem seine Zähne bis auf die Knochen ins Fleisch und saugte einem das Blut mit seinem runzeligen Maul voller Zähne aus. Sie ließen niemals los, solange es noch Blut zu holen gab, und der Panzer hielt jeden Gegenangriff ab.
Adie hatte sich den Fuß mit einer Axt abgehackt, dort, wo der Greifer sich verbissen hatte, hatte ihren eigenen Fuß abgehackt, um ihr Leben zu retten. Er brauchte bloß daran zu denken, und ihm drehte sich der Magen um. Er betrachtete die Bestie zu seinen Füßen einen Augenblick lang, dann verpaßte er ihr einen beiläufigen Tritt, der sie ein gutes Stück weiter fortschleuderte. Sie landete auf der richtigen Seite und verschwand watschelnd auf der Suche nach einer weniger widerspenstigen Beute im Wald.
Zedd hob den Kopf und betrachtete die im Türrahmen stehende Gestalt, die ihn aus ihren völlig weißen Augen finster anblickte und deren Brust sich noch immer heftig hob und senkte. Sie trug ein Gewand in der gleichen hellen Leinenfarbe wie das seine, doch anders als seins war ihres am Kragen mit gelben und roten Perlen in Form der uralten Symbole ihrer Zunft verziert. Sie stemmte die Fäuste in die Hüften. Der finstere Blick ließ ihr Gesicht nicht los, ohne daß dies ihr im geringsten etwas von ihrer Schönheit nahm.
Allerdings hielt sie noch immer die Axt in der einen Hand, ein beunruhigendes Zeichen. Es war vermutlich am besten, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen.
Zedd grinste. »Du solltest lieber nicht ständig mit Greifern herumspielen, Adie. Beim letzten Mal hat dich das einen Fuß gekostet, schon
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