Die Schwestern des Lichts - 3
nicht auf die Probe, Richard. Ich bin nicht in der Stimmung dazu. Du tust, was ich dir sage.«
Schwester Verna ging weiter voran. Hinter sich hörte Richard Huf schlag. Dunkelheit umwirbelte sie, durchbrochen von knisternden Blitzen. Er fand es schwer, zu akzeptieren, wie ruhig die Pferde blieben. War es tatsächlich die Gabe, weshalb er all das um sich herum spürte?
Links von ihm lichtete sich die Wand aus Staub. Dahinter war Licht. Der Anblick ließ Richard erstarren. Es waren die Wälder von Kernland, seine Wälder, in die er sich zurücksehnte. Dort vor ihm lagen sie. Er brauchte nur hindurchzutreten. Die Ruhe und der Frieden des Ortes, auf den er starrte, erfüllten ihn mit schmerzlicher Sehnsucht, so als wäre der Schritt dorthin seine Erlösung.
Doch er wußte, es war eine Täuschung, ein Bann der Sehnsucht, der ihn in die Falle locken sollte, damit er auf ewig im Zustand der Verzauberung umherirrte. Aber was war eigentlich so schlimm daran, selbst wenn es nicht wirklich war? Wenn es ein Ort war, den er liebte, und er dort glücklich wäre, was war daran so schlimm?
Wieder hörte er seinen Namen, und wieder als Schrei. Der Hufschlag der Pferde hatte ihn fast erreicht. Er fuhr herum und sah, daß es Chase war, der seinen Namen brüllte.
»Achte nicht darauf, Richard«, ließ sich die Schwester mürrisch vernehmen. »Geh weiter.«
Richard sehnte sich nach seinem Freund ebensosehr wie nach den Wäldern. Er ging rückwärts und schaute.
Chase kam in vollem Galopp angeritten, sein schwarzer Umhang wehte hinterher, seine Waffen blinkten im Licht der unbarmherzigen Sonne. Das Pferd war mit schäumendem Schweiß bedeckt. Irgend jemand begleitete ihn auf seinem Schoß. Richard kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können, und erkannte, daß es Rachel war. Das war normal. Rachel war immer bei Chase. Auch Rachel kreischte seinen Namen. Richard betrachtete das Trugbild, das auf ihn zugestürzt kam.
Irgend etwas an Rachel fesselte seine Aufmerksamkeit. Irgend etwas an ihr vermittelte Richard das untrügliche Gefühl von Zedds Gegenwart. Sein Blick wurde von einem bernsteinfarbenen Stein angezogen, der an einer goldenen Kette um ihren Hals hing. Der Anblick des Steins erweckte Richards Interesse, als wäre es Zedd selbst, der nach ihm rief.
»Richard!« brüllte Chase. »Geh nicht dort rein! Geh nicht dort rein! Zedd braucht dich! Der Schleier ist zerrissen! Richard!«
Plötzlich riß Chase das Pferd hoch. Es kam schlitternd zum Stillstand. Richard entfernte sich, langsam rückwärts gehend, ohne das Trugbild aus den Augen zu lassen. Chase hatte sich inzwischen beruhigt und aufgehört zu brüllen. Mit Rachel auf dem Arm stieg er vom Pferd und sah sich verwundert um. Mittlerweile wehte der Staub wieder zwischen ihnen hindurch, und Richard hatte Mühe, seinen alten Freund zu erkennen. Chase setzte Rachel ab und nahm sie bei der Hand, dann drehten sich die beiden um und starrten ins Nichts. Richard fand, dies sei ein eigenartiges Verhalten für ein Trugbild, aber vielleicht wollten sie ihn dadurch nur dazu verleiten, etwas zu suchen, auf das ihr Blick gerichtet war.
Richard drehte sich zur Schwester um, als sie seinen Namen rief. »Los, weiter, oder ich sorge dafür, daß du dir wünschst, ich hätte dich hiergelassen! Du darfst nicht stehenbleiben!« Sie blickte nach beiden Seiten, während sie weiterging. »Die Öffnung schließt sich um uns. Beeil dich, bevor wir in der Falle sitzen!«
Richard warf einen Blick zurück. Das Trugbild verschwand hinter den dunklen Wirbeln. Chase und Rachel schienen auf irgend etwas zuzugehen. Die aufgewühlten Wolken zogen zwischen Richard und das Trugbild seiner Freunde, dann waren sie verschwunden.
Richard begann zu laufen, um Schwester Verna einzuholen. Was mochte der Grund für ein derart seltsames Trugbild sein? Warum sollte die Magie ausgerechnet diese beiden aus seiner Erinnerung hervorholen, um ihn in Versuchung zu führen? Sie hatten so echt ausgesehen. Es war, als hätte er nur die Hand auszustrecken brauchen, um die beiden zu berühren. Vielleicht wollte die Magie ihn dazu verleiten, jemandem zu folgen, dem er sein Leben anvertraute. Dabei hatte alles so echt gewirkt, Chase hatte so verzweifelt ausgesehen.
Er nahm sich vor achtzugeben. Natürlich hatte es für ihn echt ausgesehen. Das war der ganze Zweck von Magie: eine Wirklichkeit vorzutäuschen, um jemanden zum Narren zu halten, jemanden anzulocken. Sie wäre nicht besonders wirkungsvoll, wenn sie nicht
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