Die Schwestern des Lichts - 3
echt wirken würde.
Richard legte Jessup die Hand auf die Flanke, als er ihn eingeholt hatte, um ihm zu zeigen, daß er da war, und damit er nicht erschrak. Im Vorbeilaufen strich er mit der Hand über den muskulösen Pferdekörper, während er Bonnie und Jessup mit der anderen Hand an ihren Führungsleinen hinter sich herzog.
Dann gab er Jessup einen Klaps auf den Hals. Jessup senkte erneut den Kopf, graste auf einer nichtvorhandenen Wiese und zog seine Führungsleine hinter sich her. Richard erstarrte auf der Stelle.
Schwester Verna war verschwunden.
Auf allen Seiten explodierten Blitze mit ohrenbetäubendem Krachen. Ein Lichtblitz sprengte den Boden vor seinen Füßen. Er sprang zur Seite, um dem nächsten Einschlag auszuweichen. Sein Haar schien sich aufzurichten, als der Blitz einschlug. Blau-weiße Nachbilder der zackigen Blitze zuckten ihm vor Augen.
Richard rief den Namen der Schwester, während er die Führungsleinen einsammelte, die Pferde weiterzerrte und dabei panisch um sich blickte. Die Blitze schienen ihm zu folgen. Zum wiederholten Male schlugen sie in den Boden ein, wo er noch Sekunden zuvor gestanden hatte.
Feuerbälle entzündeten sich in der Luft, stoben kreischend auseinander. Die Luft selbst schien zu brennen. Das Brüllen des Feuers war überall. Richard rannte jedesmal auf die Lücken zu, wenn einer der Feuerbälle sich aufgelöst hatte, tauchte unter den Blitzen und Flammen hindurch, seinen Kopf mit einer Hand schützend, obwohl er wußte, daß die Hand ihn auch nicht retten würde, sollte die Magie ihn treffen. Der ohrenbetäubende Lärm konnte einen in den Wahnsinn treiben. Die dunklen Staubwolken verhinderten, daß er etwas sehen konnte, vorausgesetzt, es gab überhaupt etwas zu sehen. Er rannte weiter, ohne auf die Richtung zu achten, versuchte nichts weiter, als den blauen Blitzen und den gelben Flammen auszuweichen.
Unvermittelt ragte die Ecke einer Mauer aus weißem, poliertem Marmor vor ihm auf. Er kam mit einem Ruck keuchend zum Stehen, schaute nach oben, konnte aber die obere Kante nicht erkennen; sie verschwand in der dunklen Wolke über ihm. Ein naher Blitzeinschlag, zu nah für seinen Geschmack, zwang ihn erneut weiterzurennen. Er zerrte die drei Pferde hinter sich her. Indem er um die Ecke bog, stellte er fest, daß auch diese Wand eine bogenartige Öffnung enthielt.
Im Laufen zählte er. Jede der fünf Gebäudeseiten maß ungefähr dreißig Schritte. In der Mitte jeder Wand befand sich ein sechs Schritte breiter und in etwa ebenso hoher Torbogen. Vor einer der Öffnungen blieb er stehen und schöpfte Luft. Drinnen war es leer, und durch die Öffnung konnte er die Bögen in den anderen Wänden sehen.
Ein Blitz krachte wie ein Hammerschlag in den Boden und schleuderte Erde in die Luft. Er schlug die Hände vors Gesicht. Die Einschläge kamen immer näher, ihr Lärm donnerte ihm in den Ohren. Er wußte nicht, wohin. Er ließ die Pferde los, sprang durch einen Bogen hindurch und rollte drinnen über den sandigen Boden.
Er setzte sich auf und stützte sich nach hinten auf seine Hände. Die Stille dröhnte ihm in den Ohren. Das Innere des Gebäudes war nackt und leer. Die Luft war nicht so drückend heiß wie draußen, sondern wirkte im Vergleich fast kühl und duftete süß wie eine Wiese.
Durch die Torbögen konnte er die kochenden schwarzen Wolken sehen, die sich über den Erdboden wälzten. Die Blitze zuckten in wilden Bögen, der Lärm war jedoch kaum mehr als ein leises Grollen. Die Pferde wanderten langsam weiter und grasten auf einer Wiese, die es nicht gab.
Dies mußte einer der Türme der Verdammnis sein, von denen Schwester Verna ihm erzählt hatte. Innen ragten die Wände oben weit in die Dunkelheit hinein und waren als Folge der Lebensfeuer der Zauberer schwarz verfärbt. Richard fuhr mit dem Finger durch den schwarzen Ruß und kostete. Der bitter-beißende Geschmack ließ ihn zurückschrecken. Der Zauberer, der gestorben war, um diesem Feuer sein Leben zu widmen, hatte dies nicht freiwillig getan. Er hatte es getan, um sich die Qualen zu ersparen, die man ihm antun wollte oder vielleicht schon angetan hatte.
Der Boden war mit weißem Sand bedeckt, in dem sich das Licht funkelnd brach. Er war in die Ecken geweht wie Schnee. Richard erinnerte sich, solchen Sand schon einmal gesehen zu haben. Das war im Palast des Volkes gewesen, im Garten des Lebens: in einem Kreis in der Mitte des Raumes. Darken Rahl hatte beim Versuch, die Kästchen der Ordnung zu öffnen,
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