Die Schwestern des Lichts - 3
Mitte stand ein schwerer Tisch aus Walnußholz voller Stapel aus Papieren und Büchern sowie drei Kerzen. Zu beiden Seiten gab es wandhohe Bücherregale, übervoll mit zerlesenen Büchern und ein paar anderen Gegenständen.
Eine alte Frau, eine Putzfrau, in einem dunkelgrauen, schweren Wollkleid stand auf einem Hocker und staubte einen der oberen Regalböden ab. Sie drehte sich überrascht um, als er stehenblieb. Kurz sah sie zur Tür, dann wieder zu ihm.
»Wie bist du …?«
»Tut mir leid. Ich wollte Euch nicht erschrecken. Ich bin gekommen, um die Prälatin zu sprechen. Ist sie hier?«
Die Frau bückte sich, suchte mit dem Fuß nach dem Boden. Richard reichte ihr die Hand. Dankbar lächelnd strich sie sich eine Strähne ihres ergrauenden Haars aus dem Gesicht. Das meiste davon hatte sie zu einem lockeren Knoten hinter ihrem Kopf zusammengebunden. Als sie wieder auf dem Fußboden stand, reichte ihr Kopf gerade bis an das untere Ende seines Brustbeines. Ihr Körper ging ein wenig in die Breite, so als wäre sie früher größer gewesen, und ein Riese hätte ihr die Hand auf den Kopf gelegt und sie einen guten Fuß weit gestaucht.
Sie hob den Kopf und sah ihn mit einem neugierigen Stirnrunzeln an. »Haben die Schwestern Ulicia und Finella dich hereingelassen?«
»Nein«, sagte Richard und sah sich in dem gemütlich vollgestellten Zimmer um. »Sie sind hinausgegangen.«
»Aber sie hätten doch bestimmt einen Schild…«
»Entschuldigung, aber ich muß dringend die Prälatin sprechen.« Auf der anderen Seite des Zimmers sah Richard eine Doppeltür, die offenstand und in den Innenhof hinausführte. »Ist sie in der Nähe?«
»Bist du angemeldet?« fragte sie mit ruhiger, sanfter Stimme.
»Nein«, gestand er. »Ich habe es tagelang versucht. Die beiden waren nicht sehr hilfsbereit, also habe ich mich selbst eingelassen.«
Sie legte einen Finger an die Unterlippe. »Verstehe. Aber du mußt angemeldet sein. So lauten die Regeln. Tut mir leid.«
Richard wandte sich zur offenen Tür. Er wurde ungeduldig, hielt seine Stimme jedoch im Zaum, da er die alte Dienstmagd nicht erschrecken wollte. »Hört, gute Frau, ich muß die Prälatin sprechen, sonst sind wir alle beim Hüter persönlich angemeldet.« Er ging los.
Sie zog erstaunt die Brauen hoch. »Tatsächlich?« Sie schnalzte mit der Zunge. »Der Hüter also, so, so.«
Abrupt blieb Richard stehen. Er zuckte zusammen und stöhnte. Dann machte er auf dem Absatz kehrt.
»Die Prälatin, das seid Ihr, nicht wahr?«
Ein schelmisches Grinsen huschte über ihr Gesicht, ihre Augen begannen zu funkeln. »Ja, Richard, ich denke, das bin ich.«
»Ihr wißt, wer ich bin?«
Sie lachte stillvergnügt in sich hinein. »Oh, ja, das weiß ich.«
Ihr Lachen wurde lauter. »Wie mir zu Ohren gekommen ist, scheinst du hier die Leitung übernommen zu haben. Du bist kaum einen Monat da, und schon hast du den halben Palast um den Finger gewickelt. Ich hatte bereits mit dem Gedanken gespielt, mir einen Termin geben zu lassen, um dich zu sprechen.«
Richard blickte sie freundlich an. »Ich hätte ihn Euch gewährt.«
»Ich habe mich darauf gefreut, dich kennenzulernen.« Sie tätschelte seinen Arm. »Von nun an kannst du mich besuchen, wann immer du willst.«
»Wieso habt Ihr mich dann vorher nicht zu Euch vorgelassen?«
Sie verschränkte die Arme unter ihren schweren, runden Brüsten. »Eine Prüfung, mein Junge, eine Prüfung.« Sie lächelte zu ihm hinauf. »Ich bin beeindruckt. Ich hatte erwartet, du würdest noch sechs oder acht Monate brauchen.«
Die Tür flog auf. Richard wurde von den Beinen geholt, von seinem Halsring nach hinten gerissen und gegen eine Wand geworfen. Er saß fest, die Luft wurde ihm aus den Lungen gepreßt. In der Tür standen die beiden wutentbrannten Schwestern, die Fäuste in die Hüften gestemmt.
»Na, na«, meinte die Prälatin, »hört auf damit, ihr zwei. Laßt den Jungen runter.«
Richard schlug dumpf auf dem Boden auf und sah die beiden Schwestern wütend an. »Ich war es, der die beiden Jungs zu ihrem Streich überredet hat. Was sie getan haben, ist meine Schuld. Wenn sich irgend jemand dafür rächen will, dann an mir und nicht an ihnen. Wenn Ihr ihnen etwas tut, habt Ihr Euch vor mir dafür zu verantworten.«
Eine der Schwestern machte einen Schritt auf ihn zu. »Ihre Strafe wurde bereits angeordnet. Diesmal werden sie endlich eine Lektion erteilt bekommen.« Wütend zeigte sie mit einer kräftigen Rute auf ihn. »Du kannst dir über
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