Die Schwestern des Lichts - 3
additive und subtraktive Elemente, die mit den anderen Welten verbunden sind. Dadurch vergeht die Zeit hier anders.«
»Warren«, meinte Richard mit belegter Stimme, »willst du damit sagen, daß das uns alle betrifft? Alle, die den Halsring tragen?«
»Nein … aber alle im Palast. Die Schwestern auch. Der Palast steht unter einem Bann. Solange die Schwestern im Palast leben, solange altern sie genau wie wir. Der Bann läßt uns langsamer altern, gibt uns ein anderes Zeitgefühl.«
»Was meinst du mit ›anders‹?«
»Der Bann verzögert unseren Alterungsprozeß. Für jedes Jahr, das wir altern, altern die Menschen draußen zwischen zehn und fünfzehn Jahren.«
Richard drehte sich der Kopf. »Warren, daß kann nicht stimmen. Das darf einfach nicht stimmen.« Er suchte verzweifelt nach einem Beweis. »Pasha. Pasha kann doch höchstens…«
»Richard, ich kenne Pasha seit über hundert Jahren.«
Richard schob den Stuhl zurück und stand auf. Er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. »Das ergibt doch keinen Sinn. Das muß doch irgend eine Art von … wie sollte das so funktionieren?«
Warren faßte Richard am Arm und drückte ihn auf seinen Stuhl zurück. Er zog seinen eigenen Stuhl dicht heran. Dann begann er, in sanftem, besorgtem Tonfall zu sprechen, wie jemand, der einem anderen etwas Entsetzliches mitzuteilen hat.
»Es dauert lange, einen Zauberer auszubilden. Draußen, in der übrigen Welt, waren bereits über zwanzig Jahre vergangen, als ich in der Lage war, mein Han überhaupt zu berühren. Weil ich aber hier lebte, war ich um weniger als zwei Jahre gealtert. Auch hier waren zwanzig Jahre vergangen, ich war aber nur um zwei gealtert. Würde der Palast unseren Alterungsprozeß nicht verlangsamen, dann würden wir alle an Altersschwäche sterben, bevor wir auch nur eine Lampe mit unserem Han entzünden könnten.
Ich habe noch nie gehört, daß es weniger als zweihundert Jahre gedauert hätte, einen Zauberer auszubilden. Normalerweise dauert es an die dreihundert, manchmal sogar vierhundert Jahre.
Die Zauberer, die diesen Ort geschaffen haben, wußten das und haben die Magie hier mit den jenseitigen Welten verknüpft, wo Zeit bedeutungslos ist. Wie es funktioniert weiß ich nicht, nur, daß es funktioniert.«
Richards Hände zitterten. »Aber ich … ich muß diesen Halsring unbedingt loswerden. Ich muß zu Kahlan. So lange kann ich nicht warten. Hilf mir, Warren. Ich kann nicht so lange warten.«
Warren blickte zu Boden. »Tut mir leid, Richard. Ich weiß nicht, wie wir unsere Halsringe loswerden können, und ich weiß auch nicht, wie man die Barriere überwindet, die uns hier gefangenhält. Aber ich kann es dir nachempfinden. Mich hat es für die letzten fünfzig Jahre in die Kellergewölbe getrieben. Einigen der anderen scheint es egal zu sein. Sie sagen, dadurch hätten sie nur mehr Zeit, die sie mit Frauen verbringen können.«
Richard erhob sich langsam. »Ich kann es einfach nicht glauben.«
Warren hob den Kopf. »Bitte, Richard, verzeih mir, daß ich dir davon erzählt habe. Es tut mir leid. Ich wollte dir bestimmt nicht weh tun. Du warst immer…«
Richard legte Warren eine Hand auf die Schulter. »Du kannst nichts dafür. Du hast ja nichts getan. Du hast mir bloß die Wahrheit erzählt.« Seine Stimme schien vom Grunde eines Brunnens heraufzukommen. »Ich danke dir für die Wahrheit, mein Freund.«
Er war nur zu einem einzigen Gedanken fähig, während ihn seine Füße schweren Schrittes nach oben trugen: Alle seine Träume waren zerstoben. Wenn er den Halsring nicht loswurde, war alles verloren.
Die Schwestern Ulicia und Finella standen mit drohender Miene vor der Tür, als er eintrat. Genau wie die Wachen wichen sie zurück, als sie seinen Gesichtsausdruck sahen. Ein funkelnder Schild erhob sich vor der Tür. Er ging hindurch, ohne seine Schritte zu verlangsamen. Die Tür dahinter sprang für ihn auf, ohne daß er sie berührt hätte. Ein Teil des Rahmens zersplitterte. Er kam gar nicht auf die Idee, den Türgriff zu benutzen.
Die Prälatin saß da, die Hände auf dem schweren Tisch aus Walnußholz gefaltet. Mit ernstem Blick beobachtete sie, wie er näher kam. Richard stemmte sich gegen den Tisch und ragte turmhoch über ihr auf.
»Ich muß gestehen, Richard«, meinte sie betrübt, »auf diesen Besuch habe ich mich nicht gefreut.«
Seine Stimme brach. »Warum hat Schwester Verna mir nichts davon gesagt?«
»Ich habe es ihr befohlen.«
»Und warum habt Ihr es mir nicht
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