Die Schwestern des Lichts - 3
wieder gesund wird. Doch nach einer Weile will er immer noch nicht wieder aufstehen, weil es anfangs noch schmerzt. Also bist du weiterhin freundlich und bringst ihm weiter das Essen. Mit der Zeit verkümmert das Bein, und es wird noch schmerzhafter, aufzustehen. Also bist du so nett und bringst ihm weiter zu essen. Am Ende wird er wegen deiner Freundlichkeit ans Bett gefesselt sein und nie wieder laufen können. Du hast mit deinen guten Absichten Schaden angerichtet.«
»Ich glaube, so etwas kommt nicht so oft vor, als daß es ein Problem wäre.«
»Ich versuche dir einfache Beispiele zu geben, damit du von ihnen auf schwierigere Probleme schließen kannst und das verborgene Prinzip verstehst.
Mit guten Absichten und Freundlichkeit ermutigt man möglicherweise die Trägen und hält die Vernünftigen dazu an, faul zu werden. Je mehr man sie unterstützt, desto mehr Unterstützung brauchen sie. Solange deine Freundlichkeit unbegrenzt ist, erlangen sie niemals Disziplin, Würde oder Selbstvertrauen. Deine Freundlichkeit läßt ihre Menschlichkeit verkümmern.
Wenn du einem Bettler eine Münze gibst, weil er behauptet, seine Familie sei hungrig, und er benutzt sie dazu, sich zu betrinken und tötet dann jemanden, ist das dann dein Fehler? Nein. Er war es, der jemanden getötet hat, doch hättest du ihm statt dessen etwas zu essen gegeben oder wärst hingegangen und hättest seiner Familie etwas zu essen gegeben, wäre es nicht zu dem Mord gekommen. Deine Absicht war gut, und doch hat sie Schaden angerichtet.
Das Zweite Gesetz der Magie: Die besten Absichten können den größten Schaden zur Folge haben. Zuwiderhandlung kann alles mögliche hervorrufen: angefangen von Unbehagen bis hin zu Katastrophe oder Tod.
So manche Herrscher haben Frieden gepredigt und behauptet, es sei bereits falsch, sich selbst zu verteidigen. Mit den besten Absichten, wie es schien, Gewalt zu vermeiden. Am Ende hat dies oft zu einem Gemetzel geführt, wo doch die Androhung von Gewalt gleich zu Beginn einen Konflikt vermieden hätte. Diese Leute haben ihre guten Absichten über die Realitäten des Lebens gestellt. Sie beschuldigten Krieger, blutrünstig zu sein, wo doch die Krieger tatsächlich Blutvergießen hätten verhindern können.«
»Willst du damit sagen, daß ich mich nicht schämen soll, ein Kriegszauberer zu sein?«
»Es nützt dem Schaf wenig, den Nutzen einer Diät aus Gras zu predigen, wenn die Wölfe anderer Ansicht sind.«
Richard kam sich vor, als unterhalte er sich mit Zedd. »Aber Freundlichkeit kann doch nicht immer falsch sein.«
»Natürlich nicht. An dieser Stelle nun kommt die Weisheit ins Spiel. Du mußt weise genug sein, die Folgen deines Tuns vorauszusehen.
Doch das Problem beim Zweiten Gesetz liegt darin, daß man niemals mit Sicherheit ausschließen kann, ob man es verletzt oder ob man schlicht das Richtige tut. Schlimmer noch, Magie ist gefährlich. Fügt man den guten Absichten Magie hinzu, kann ein Verletzen des Zweiten Gesetzes in die Katastrophe führen.
Magie anzuwenden ist nicht schwer. Zu wissen, wann man Magie anwenden soll, das macht es schwierig. Jedesmal, wenn du sie einsetzt, kannst du unerwartete Zerstörung heraufbeschwören.
Wußtest du, Richard, daß es das Gewicht einer einzigen Schneeflocke ist, welches die Lawine auslöst? Ohne diese eine letzte Schneeflocke käme es nicht zur Katastrophe. Wenn du Magie einsetzt, mußt du wissen, welches diese eine überzählige Schneeflocke ist, bevor du ihr Gewicht hinzufügst. Die Lawine wird in keinerlei Verhältnis stehen zu dem, was deiner Ansicht nach das Gewicht dieser Schneeflocke bewirken kann.«
Richard strich mit dem Daumen über das Heft des Schwertes. »Nathan, ich glaube, ich habe den Schleier eingerissen, weil ich das Zweite Gesetz der Magie gebrochen habe.«
»So ist es.«
»Was habe ich getan?«
»Du hast deine Magie mit Hilfe des Ersten Gesetzes eingesetzt, um zu gewinnen. Dabei hast du die Kästchen, das Tor, mit Magie gefüttert und den Schleier eingerissen. Du hast es aus Unwissenheit getan. Du kanntest die Folgen dessen nicht, was du für richtig hieltest, das jedoch die Zerstörung allen Lebens zur Folge haben könnte. Eine Schneeflocke, fürwahr. Magie ist gefährlich.«
»Wie kann ich das wieder richten?«
»Der Stein der Tränen muß dem Hüter wieder auferlegt werden. Der Stein der Tränen muß an seinen rechtmäßigen Platz zurückgeschickt werden, in die Unterwelt, wo er dazu beitragen wird, die Macht des Hüters in
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