Die Schwestern des Lichts - 3
sie?«
»Nun, gestern abend hat die Lady Sefa die Segel gesetzt. Wir haben mit Leuten im Hafen gesprochen, die behaupten, sie hätten gesehen, wie sechs Frauen, möglicherweise die Schwestern, kurz vor dem Ablegen an Bord gegangen sind.«
»Vor dem Ablegen!« stöhnte Richard. »Was ist das, die Lady Sefa ?«
»Ein Schiff. Ein großes Schiff. Es ist gestern spät abends mit der Flut ausgelaufen. Es hat einen guten Vorsprung, und, soweit ich gehört habe, liegt kein einziges Schiff im Hafen, daß die Lady Sefa einholen oder ebensoweit aufs Meer hinausfahren könnte.«
»Wir können sie nicht verfolgen und gleichzeitig der anderen Sache nachgehen«, meinte Schwester Verna.
Richard schob gereizt seinen Rucksack zurecht. »Ihr habt recht. Wenn sie es tatsächlich sind, dann sind sie erst einmal fort. Aber zumindest weiß ich, wohin sie fahren. Wir werden uns später um sie kümmern müssen. Wenigstens ist der Palast der Propheten sicher. Im Augenblick müssen wir uns um wichtigere Dinge kümmern. Holen wir die Pferde, damit es endlich losgehen kann.«
67. Kapitel
Kahlan rannte durch die dunklen, steinernen Gänge und durch die grabähnlichen Kammern. Die ersten Lichtstrahlen warfen goldene Flecken auf die rauhe, dunkelgraue Granitwand gegenüber den Fenstern, während sie eine Osttreppe hinaufhastete. Sie war sofort losgelaufen, als Jebra ihr erzählt hatte, sie habe in der Burg der Zauberer ein Licht gesehen.
Sie mußte daran denken, wie es war, mit langem Haar zu rennen: an das Gewicht des Haares, wie es hinter ihr herwehte, mit ihren Schritten zu fließen schien. Jetzt spürte sie dieses Gefühl nicht mehr. Doch das war egal, sie freute sich einfach darüber, daß Zedd zurückgekehrt war. Sie hatte so lange darauf gewartet. Im Laufen rief sie seinen Namen.
Sie platzte in das übervolle Lesezimmer, kam stolpernd zu Stehen, rang nach Atem. Zedd stand hinter einem Tisch, der mit Büchern und Papieren übersät war, genau wie sie ihn vom letzten Mal, Monate zuvor, noch in Erinnerung hatte. Kerzen verliehen dem Zimmer eine warme Behaglichkeit. Das Lesezimmer hatte nur ein einziges Fenster, das auf den noch dunklen Himmel im Westen hinausging.
Ein großer Mann mit buschigen brauen, größtenteils grauem Haar und einem verwitterten, faltigen Gesicht blickte von einem Spazierstock auf, den er gerade begutachtete. Adie saß etwas seitlich davon in einem Sessel. Ihr Kopf zuckte herum, als sie das Geräusch hörte. Zedd legte den Kopf fragend auf die Seite und runzelte die Stirn.
»Zedd!« Sie schluckte Luft. »Oh, Zedd, ich bin ja so froh, dich wiederzusehen.«
»Zedd?« Er drehte sich zu dem großen Mann um. »Zedd?« Der große Mann nickte. »Ruben gefällt mir aber besser.«
»Zedd! Du mußt mir helfen!«
»Wer ist das?« fragte Adie aus dem Sessel.
»Adie, ich bin’s, Kahlan.«
»Kahlan?« Ihr Kopf ruckte herum zu Zedd. »Kahlan, wer ist das?«
Zedd zuckte mit den Achseln. »Ein hübsches Mädchen mit kurzem Haar. Offenbar kennt sie uns.«
»Was redest du da? Zedd, ich brauche Hilfe! Richard ist in Schwierigkeiten! Ich brauche dich!«
Zedd runzelte verwirrt die Stirn. »Richard. Den Namen kenne ich. Glaube ich wenigstens…«
Kahlan war außer sich. »Was ist mit dir, Zedd! Erkennst du mich nicht? Bitte, Zedd, ich brauche dich. Richard braucht dich.«
»Richard.« Er strich sich über sein glattrasiertes Kinn und sah nachdenklich auf den Tisch. »Richard…«
»Dein Enkel! Bei den Seelen, kannst du dich nicht an deinen Enkel erinnern?«
Er starrte auf den Tisch und dachte nach. »Enkel … ich glaube, ich erinnere mich … nein, doch wohl nicht.«
»Zedd! Hör mir zu! Die Schwestern des Lichts halten ihn gefangen! Sie haben ihn mitgenommen!«
Kahlan stand stumm da und rang nach Atem. Zedd hob langsam den Kopf und sah sie mit seinen braunen Augen an. Sein Gesicht verlor seinen fragenden Ausdruck, als sich seine Brauen zusammenzogen und er wütend darunter hervorblickte. »Die Schwestern des Lichts halten Richard gefangen?«
Kahlan hatte schon gesehen, wie Zauberer wütend wurden, doch einen Blick wie jetzt bei Zedd hatte sie noch nie in den Augen eines Zauberers gesehen.
»Ja«, sagte sie. Sie wischte sich ihre schweißnassen Hände an den Hüften ab und betrachtete einen Riß, der hinter ihm die Wand hinauflief. »Sie sind gekommen und haben ihn mitgenommen.«
Zedd stemmte sich mit den Knöcheln auf den Tisch und beugte sich zu ihr. »Ausgeschlossen. Sie hätten ihn nicht mitnehmen können, es
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