Die Schwestern des Lichts - 3
den Kopf gesetzt hat.« Richard beobachtete, wie die rote Gestalt hoch oben am Himmel immer größer wurde. »Hör zu, ich hab’ keine Zeit, dir das alles zu erklären. Schwester Verna und Warren werden es dir erzählen.«
Schwester Verna zog ein mißtrauisches Gesicht und trat einen Schritt auf ihn zu. »Was wirst du tun? Warren hatte recht, du hast keine Zeit mehr.«
In der Ferne breiteten sich die roten Flügel aus, als der Drache zum Sturzflug ansetzte. Richard band seinen Rucksack von Bonnie los und setzte ihn sich auf den Rücken. Zum Abschied drückte er Bonnies Hals. Er hakte den Köcher fest und schlang den Bogen über seine Schulter. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Drache senkrecht in die Tiefe stürzte.
»Ich habe noch Zeit. Ich muß nur jetzt aufbrechen, Schwester.«
»Was soll das heißen, du brichst auf? Wie denn?«
Der Drache löste sich im allerletzten Augenblick aus seinem Sturzflug. Er reckte seinen langen Hals nach vorn, breitete die Flügel aus, schoß mit unglaublicher Geschwindigkeit auf sie zu und berührte dabei fast den Boden.
»Ich habe nur eine Chance, mein Ziel rechtzeitig zu erreichen. Ich muß fliegen.«
»Fliegen!« riefen Warren und Schwester Verna gleichzeitig.
Scarlet kam mit Gebrüll herangebraust. Alle anderen sahen sie zum ersten Mal. Sie schlug mit ihren ungeheuren Flügeln, um ihr Tempo zu drosseln.
Kleider flatterten im plötzlich aufkommenden Wind. Das Gras ringsum wurde von den Böen niedergedrückt. Warren, Schwester Verna und Du Chaillu wichen überrascht zurück. Scarlet landete, nachdem sie ihren Vorwärtsschwung abgebremst hatte.
»Richard«, sagte Schwester Verna und schüttelte langsam den Kopf, »von allen Menschen, die ich kenne, hast du die seltsamsten Haustiere.«
»Rote Drachen lassen sich von niemandem als Haustiere halten, Schwester. Scarlet ist eine liebe Freundin.«
Richard trabte auf den riesigen Drachen zu, der im Schein der Sonne glänzte. Scarlet stieß eine kleine Wolke grauen Rauches aus.
»Richard! Wie schön, dich wiederzusehen. Du hast mich so dringlich mit meinem Zahn gerufen, also steckst du vermutlich wieder mal in Schwierigkeiten. Wie üblich.«
»Ganz recht, meine Freundin.« Richard tätschelte eine glänzende rote Schuppe. »Du hast mir gefehlt, Scarlet.«
»Nun, gegessen habe ich schon. Ich werde dir also wohl einen Ritt durch die Lüfte anbieten müssen, um wieder Appetit zu bekommen. Danach werde ich dich fressen.«
Richard mußte lachen. »Wo steckt dem Kleiner?«
Ihre Augen zuckten. »Er ist auf der Jagd. Gregory ist gar nicht mehr so klein. Er vermißt dich und würde dich gern wiedersehen.«
»Das geht mir genauso. Aber im Augenblick habe ich es schrecklich eilig. Die Zeit läuft mir davon.«
»Richard!« Du Chaillu kam auf ihn zugerannt. »Ich muß mit dir aufbrechen. Ich muß meinen Gatten überallhin begleiten!«
Richard beugte sich vor Scarlets Ohr, als sie den Kopf senkte und ihn aus einem ihrer gelben Augen tadelnd ansah. »Einen kleinen Feuerstoß, Scarlet«, flüsterte er ihr zu. »Nur wegen der Wirkung. Tu ihr nicht weh.«
Du Chaillu sprang mit einem Aufschrei zurück, als der Feuerstoß das Gras zu ihren Füßen versengte.
»Du Chaillu, dein Volk hat sein Land zurückerhalten. Du mußt bei ihnen bleiben. Du bist ihre Seelenfrau, die Menschen brauchen dich. Sie brauchen deine Führung. Ich möchte dich um etwas anderes bitten: Beschütze die Türme, die auf eurem Land stehen. Ich weiß nicht, ob sie irgendwelchen Schaden anrichten können, doch als Caharin ordne ich an, daß niemand sie betreten soll. Bewacht sie und haltet alle anderen von ihnen fern.
Lebt in Frieden mit allen, die mit euch in Frieden leben wollen, aber übt euch weiter im Gebrauch der Klingen, damit ihr euch wehren könnt, falls das notwendig sein sollte.«
Du Chaillu richtete sich zu voller Größe auf. Die kleinen Stoffstreifen an ihrem Gebetskleid flatterten im Wind ebenso wie ihr dichtes, schwarzes Haar.
»Du bist ein weiser Mann, Caharin. Ich werde dafür sorgen, daß alles so geschieht wie du sagst, bis du zu deinem Weib und deinem Volk zurückkehrst.«
»Richard«, warf Schwester Verna ein. Ihr Gesicht war ernst. »Weißt du, wo Kahlan ist?«
»In Aydindril. Sie ist ganz bestimmt dort hingegangen. Die Prophezeiung soll sich vor den Augen ihres Volkes bewahrheiten. Sie ist bestimmt in Aydindril.«
»Du mußt selbst entscheiden, Richard. Wohin wirst du jetzt gehen?«
Er sah ihr lange in die unerschütterlichen
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