Die Schwestern des Lichts - 3
Boden, eben noch verbrannt und öde, war jetzt üppig und grün. Immer noch Hände haltend, standen er und Du Chaillu im Torbogen und verfolgten, wie sich Rauch und Dunst über einer Welt lichteten, die seit Tausenden von Jahren niemand mehr gesehen hatte.
Hand in Hand traten sie hinaus in die kühle Luft, durch das hohe Gras und durch die Balken der Sonnenstrahlen. Das Unwetter der Banne war verschwunden, die dunklen Wolken, die es hervorgebracht hatte, waren aufgestiegen und hatten sich dabei aufgelöst. Die Luft roch frisch und sauber. Ringsum vibrierte das Leben.
Das Tal bis hin zu der blaßblauen Gebirgskette in der Ferne war üppig und grün. Kleine Wäldchen säumten mäandernde Flüsse. Sanfte Hügel überlagerten einander in verschiedenen Tönen von Grün.
Richard verstand, warum die Baka Ban Mana ihr Land hatten zurückhaben wollen. Es war ein Ort, der einfach nach Heimat aussah. Es war ein Ort voller Licht und Hoffnung, und es konnte nicht verwundern, daß er durch all die finsteren Jahrhunderte hindurch in den Herzen des Volkes bewahrt geblieben war. Der Ort gehörte nicht den Baka Ban Mana – sie waren es, die hierhergehörten.
»Du hast es geschafft, Caharin «, sagte Du Chaillu. »Du hast unser Land hinter dem Nebel hervorgeholt.«
In der Ferne sah Richard ein paar vereinzelte Gestalten. Es waren die, die ungezählte Jahre in einem Bann gefangen gewesen waren. Ziellos und verwirrt wanderten sie umher. Er mußte zwei von ihnen suchen, zwei, die er kannte.
Schwester Verna und Warren kamen auf sie zugaloppiert und brachten ihm sein Pferd. Sie hatten noch nicht angehalten, als Richard bereits auf Bonnie saß. Du Chaillu streckte ihm die Hand entgegen. Sie wollte ihn begleiten. Widerstrebend zog er sie hinter sich aufs Pferd.
»Richard«, sagte Warren, »das war unglaublich! Wie hast du das gemacht?«
»Ich habe nicht die geringste Ahnung, Warren. Ich hatte gehofft, du könntest mir das erklären.«
Richard ließ Bonnie in die Richtung galoppieren, wo er Chase und Rachel bei seiner ersten Durchquerung des Tales gesehen zu haben glaubte. Warren und Schwester Verna folgten ihm. Es dauerte nicht lange, und er fand sie am Ufer eines Baches sitzend. Chase wirkte verwirrt. Er hatte den Arm um Rachel gelegt und schien überhaupt nicht so ungeduldig und gereizt zu sein wie gewöhnlich.
Richard schwang sein Bein über Bonnies Hals und sprang ab. »Chase! Alles in Ordnung?«
»Richard? Was ist passiert? Wo sind wir? Wir waren auf dem Weg, dich abzuholen. Du darfst nicht…« Er sah sich um. »Du darfst nicht in das Tal. Zedd braucht dich. Der Schleier ist eingerissen.«
»Ich weiß.« Richard gab Schwester Verna die Zügel und stellte alle rasch einander vor. »Meine Freunde werden dir alles erklären.« Er ging vor Rachel auf ein Knie. Der dunkle, bernsteinfarbene Stein der Tränen hing an einer Kette um ihren Hals, genau wie in seiner Erinnerung. »Rachel, alles in Ordnung? Wie fühlst du dich?«
Sie blinzelte zu ihm hinauf. »Ich war an einem wunderschönen Ort, Richard.«
»Hier ist es auch wunderschön. Du wirst dich bestimmt wohl fühlen. Rachel, hat Zedd dir diesen Stein gegeben?«
Sie nickte. »Er meinte, daß du ihn vielleicht haben willst. Ich sollte ihn für dich aufbewahren, bis du ihn holen kommst.«
»Deswegen bin ich hier, Rachel. Darf ich ihn jetzt haben?«
Lächelnd streifte sie ihn über ihren Kopf. Richard hakte die Kette auseinander und nahm den Stein ab. Als er ihn in der Hand hielt, spürte er Wärme und Zedds Gegenwart.
Die Kette war für ihn zu kurz. Er gab sie Rachel zurück und sagte, sie stünde ihr besser als ihm. Dann band er den Stein an einen Lederriemen, den er bereitgehalten hatte.
Er hängte sich den Stein der Tränen um den Hals, zusammen mit dem Strafer und dem Drachenzahn. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie ein ferner Punkt am Himmel immer größer wurde.
»Richard«, sagte Warren, »nach allem, was ich gerade beobachtet habe, zweifele ich nicht mehr daran, daß du alles kannst, was du behauptest, tun zu können. Nur bleibt dir keine Zeit mehr, an dein Ziel zu kommen. Morgen wird diese Welt untergehen, wenn du es nicht erreichst. Was wirst du tun?«
»Wo gehen wir jetzt hin, mein Gatte?« fragte Du Chaillu.
»Wir werden nirgendwo hingehen, Du Chaillu. Du bleibst hier bei deinem Volk.«
»Gatte?« fragte Chase, auf dessen Gesicht sich nun ein finsterer Blick breitmachte.
»Ich bin nicht ihr Mann. Das ist nur so eine verrückte Idee, die sie sich in
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