Die Schwestern des Lichts - 3
Gebüsch und im Gras verteilt. Sie lagen größtenteils noch so da wie in seiner Erinnerung, nur waren es jetzt blanke Knochen.
Richard sah die weiße, leuchtende Gestalt Darken Rahls. Doch stand er nicht vor dem steinernen Altar, nicht vor den drei Kästchen der Ordnung. Er stand neben dem Rund, das weißen Sand enthielt. Als er diese Vision beim ersten Mal hatte, war der weiße Sand noch nicht dagewesen.
Eine Frau in einem langen, braunen Rock und einer weißen Bluse kniete zu Darken Rahls Füßen und beugte sich über den Kreis aus weißem Sand. Richard wünschte sich näher heran. Sie zeichnete Linien in den weißen, glitzernden Zauberersand. Richard erkannte einige der Symbole wieder, die sie zeichnete. Als Darken Rahl damals das Kästchen geöffnet hatte, hatte er sie noch selbst gezeichnet.
Richard beobachtete, wie die Frau ihre Hand langsam und mit Bedacht bewegte und die Linien der Banne zog. Ihm fiel auf, daß an ihrer rechten Hand der kleine Finger fehlte.
In der Mitte des Kreises, in der Mitte des Zauberersandes, lag ein runder Gegenstand. Richard ging näher. Er war überall mit Schnitzereien wilder Tiere verziert, genau wie die Prälatin ihn beschrieben hatte.
Richard hätte vor Wut am liebsten aufgeschrien.
Genau in diesem Augenblick hob Darken Rahl den Kopf und blickte genau in Richards Augen. Ein Lächeln breitete sich langsam auf seinen Lippen aus.
Richard wußte nicht, ob Darken Rahl ihn tatsächlich ansah oder nicht, er wollte es auch nicht wissen. Mit verzweifelter Anstrengung zwang er das Bild des Schwertes wieder vor sein inneres Auge und verbannte gleichzeitig den schwarz-weißen Hintergrund.
Richard schnappte nach Luft und riß die Augen auf. Schwer atmete er.
Auch Schwester Verna öffnete die Augen. »Ist alles in Ordnung, Richard? Du warst eine ganze Stunde fort. Ich spürte, wie du versucht hast, dich herauszuziehen, also habe ich mit dir gezogen. Was ist passiert? Was hast du gesehen?«
»Eine Stunde?« Richard hatte noch immer Mühe, wieder zu Atem zu kommen. »Ich habe Darken Rahl gesehen und den Skrinknochen. Bei ihm war eine Frau, die ihm half, Banne in den Zauberersand zu zeichnen.«
Warren beugte sich über Richards Schulter. »Vielleicht war es nur eine Angstvision. Möglicherweise war sie nicht real.«
»Warren könnte recht haben«, meinte Schwester Verna. Sie biß sich auf die Unterlippe und dachte nach. »Wie sah die Frau aus?«
»Welliges, schulterlanges, braunes Haar, vielleicht Eure Größe. Sie hatte sich über eine Zeichnung im Sand gebeugt, deshalb konnte ich ihre Augen nicht erkennen.« Richard preßte seine Finger an die Stirn und überlegte. »Ihre Hand. Ihr fehlte der kleine Finger ihrer rechten Hand.«
Warren stöhnte. Schwester Verna schloß entsetzt die Augen.
»Was ist? Was ist denn los?«
»Schwester Odette«, sagte sie. »Das ist Schwester Odette.«
Warren bestätigte es mit einem Nicken. »Sie ist jetzt fast sechs Monate fort. Ich dachte, sie sei losgezogen, um einen Jungen abzuholen.«
»Fluch den Seelen«, stieß Richard kaum hörbar hervor. Er sprang auf. »Warren, lauf und hole Du Chaillu. Erkläre ihr, daß wir sofort aufbrechen müssen.«
Er biß verzweifelt die Zähne aufeinander. Er hatte geglaubt, alle Zeit zu haben, die er brauchte. Nun, ihm blieb noch genug Zeit, wenn er sich beeilte.
Du Chaillu schien wie in Trance zu sein, als Richard sie an der Hand weiterzog. Richard hielt das Schwert der Wahrheit in der anderen Hand. Auch er befand sich in einer ganz eigenen Welt. Sein wütender Zorn war den zornigen, schwarzen Wolken ebenbürtig. Die magischen Banne umkreisten sie wie eine Meute von Hunden ein Stachelschwein: wütend und hartnäckig, dabei auf Abstand bedacht, suchten sie nach einer Blöße.
Feine Lichtstreifen stießen aus der Dunkelheit hervor und umwirbelten sie spiralförmig, um dann in einer Aura rings um Du Chaillu zu verschwinden. Sie schien die Magie in sich aufzusaugen, wie sie es laut Schwester Verna früher schon getan hatte. Zusammen bildeten sie jene Verbindung, die, so stand es nach Warrens Angaben in den alten Büchern, die Kraft bändigen und die Türme zum Einsturz bringen würde.
Richard entdeckte den ersten Turm inmitten der Hitzewellen und des brodelnden Dunstes. Er zog Du Chaillu zu der glänzenden, schwarzen Wand, die sich nach oben in der Dunkelheit verlor. Überall wirbelten Staub und Schmutz auf, als sie auf die bogenförmige Öffnung in der Mauer zustürzten. Banne versuchten, sie zu packen, ihr
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