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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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die sie für immer von den anderen trennte. Stumm wandte sie den Kopf zur Seite und starrte auf das weiß getünchte Mauerwerk.
    Da schob sich plötzlich eine kleine Hand in die ihre. Es war Cathleen. Hab keine Angst! Ihre Augen sprachen zu ihr. Wie eine Ertrinkende tauchte sie in den Blick ihrer Schwester ein und spürte, wie diese die Arme um sie legte und sie an sich zog, als würde es in ihrer Macht liegen, sie die Welt wieder hören zu lassen.

MELINDA

1
     
    Berlin, Januar 1948
    E in grauer, stählerner Himmel hing seit dem Morgen über der Stadt. Es war kalt, bitterkalt. Schon seit Wochen. Der Winter schien dieses Jahr kein Ende nehmen zu wollen. Eisige Luft war aus dem Osten Russlands herübergeströmt und hielt sich unerbittlich über Berlin.
    Melinda zog im Gehen den Schal über ihr schulterlanges dunkles Haar und kämpfte gegen den Wind, der ihr kalt in die Haut schnitt. Sie fühlte in den viel zu dünnen Schuhen kaum noch ihre Füße, und ihr Körper war unter dem fadenscheinigen Wollmantel wie zu Eis erstarrt. Man gewöhnte sich nicht an die Kälte, genauso wenig wie an den Hunger, dachte sie. Die junge Frau presste fröstelnd die Mappe mit den Artikeln gegen die Brust und beschleunigte ihren Schritt, ohne die zerstörten Häuserfassaden und Trümmerhaufen zu beachten, die rechts und links die Straße säumten. Auch fast drei Jahre nach Kriegsende war Berlin noch immer eine Ruinenstadt, und man konnte nur zu deutlich erkennen, wo die Zerstörungskraft der Bomben ihre Spuren hinterlassen hatte. Manche Häuser boten wie seziert ihr Inneres dar – man blickte in offene Flure und Wohnungen –, während anderen Gebäuden der Dachstuhl oder die oberen Stockwerke fehlten. Herausgebrochene Fenster und Löcher waren an einigen Häusern inzwischen notdürftig mit etwas Pappe und Fliegendraht repariert und das eine oder andere Mauerwerk mit Steinfragmenten abgedichtet worden, die man aus dem Schutt und den Scherben der Trümmer gewonnen hatte. Doch sehr viel mehr war nicht geschehen, denn es fehlte an allem, um die Stadt wieder aufzubauen – an Ziegeln und Fensterglas genauso wie an Stahl und Holz.
    Selbst in dem Verlagshaus der Tageszeitung Telegraf , in dem sie eben gewesen war, hatte es kaum besser ausgesehen, dachte Melinda. Sie hatte dort einen Vorstellungstermin gehabt. Die Sekretärin, die sie zum Büro des Chefredakteurs geleitete und eine dicke Wolljacke und Pulswärmer trug, hatte ihr erzählt, dass es regelmäßig durchs Dach regnete, sobald der Schnee etwas schmolz. Trotzdem hatte in den Räumen und Fluren ein reger Betrieb geherrscht. Menschen waren hin und hergehastet, und man hatte das Klappern von Schreibmaschinen hören können, das sich mit dem Gewirr von Stimmen vermischte, die überall diskutierten. Eine Atmosphäre des Aufbruchs war in der Redaktion zu spüren gewesen, die Melinda gleichermaßen beeindruckt wie gefallen hatte und in ihr unwillkürlich den Wunsch aufkommen ließ dazuzugehören. Sie unterdrückte ein Seufzen und fragte sich, ob der Telegraf vielleicht endlich den Neuanfang bedeuten konnte, nach dem sie sich so sehnte.
    Wenn sie dort wirklich eine Chance bekommen würde, setzte sie gedanklich hinzu. Ein angespannter Ausdruck huschte über ihr schmales Gesicht mit den grünen Augen. Arno Scholz, der Chefredakteur, würde es ihr nicht leicht machen, so viel war klar. Scholz, der unter den Nazis Berufsverbot gehabt hatte, befand sich seit letztem Frühling in mächtiger Position, denn er hatte von den Briten eine der begehrten Lizenzen zur Herausgabe einer Tageszeitung bekommen. Melinda verdankte es allein Major Colby von der britischen Besatzungskommandantur – für die sie seit Kriegsende regelmäßig als Übersetzerin arbeitete –, dass sie den Termin überhaupt bekommen hatte.
    Über eine Stunde hatte Scholz sie im Flur warten lassen. Sie hatte den Aushang am Schwarzen Brett beinahe auswendig gekonnt. Als der Chefredakteur sie endlich hereinbat, hatte er lediglich einen kurzen Blick auf ihre Arbeitsproben geworfen, die recht spärlich waren.
    Melinda war siebenundzwanzig Jahre alt, und schon immer war es ihr Traum gewesen, als Journalistin zu arbeiten, doch während des Krieges hatte sie kaum mehr als ein paar Artikel für den Lokalteil einer Zeitung schreiben können. Keine der renommierten Zeitungen hatte sie für ein Redaktionsvolontariat annehmen wollen. Die Kandidaten mussten vom Reichsverband der deutschen Presse genehmigt werden, und sie hatte denkbar schlechte

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