Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
keine Eicheln!
Keine stechenden Tannennadeln! Echtes Essen! Ich werde es bis zur Neige auskosten!«
»Es ist keine der Schenken, an die du gewöhnt bist«, fauchte Delaa. »Es ist wahrscheinlich nur ein Raum in irgendeinem Wohnhaus.«
»Ist mir egal«, verkündete Octavia inbrünstig. Ihre Vorfreude schien nur wenig gedämpft.
Delaa verzog das Gesicht. »Wahrscheinlich albert sie morgen früh mit jedem herum und braucht zwei Stunden, um sich zu verabschieden«, murmelte sie vor sich hin.
Octavia drückte die Ellbogen in ihre Seiten und richtete sich kerzengerade auf. Alles an ihr drückte Verachtung aus. Sharyl seufzte. Sie hatte gewusst, dass es mit der Ruhe bald vorbei wäre.
Aber Sharyl hatte gehofft, dass sie wenigstens bis zum Ende der Reise erhalten blieb.
Die Ortschaft Velan war klein. Die Schenke war finster und hatte eine niedrige Decke. Aber sie war größer, als Delaa angekündigt hatte, denn sie bestand aus zwei Räumen und lag über denen der Wirtsfamilie. Dazu gehörte ein kleiner Gemeinschaftsraum mit Kamin, in dem man alles essen und trinken konnte, was das Dörfchen zu bieten hatte. Nachdem die Reisenden ihr Gepäck in dem gemieteten Zimmer abgelegt hatten, ging Sharyl die Treppe hinunter und nahm dankbar am Feuer Platz. Sie hatte vergessen, wie kalt es zu dieser Jahreszeit im Vorgebirge werden konnte.
Octavia kam herein und verwickelte die Tochter des Gastwirts in ein Gespräch.
Delaa, die sich überzeugt hatte, dass es den Reittieren im Stall gut ging, räusperte sich, als sie Octavia tratschen sah, und polterte die Treppe zum Zimmer hinauf.
Oje, dachte Sharyl. Sie war Delaas Schmollen und unbedachte Bemerkungen leid. Sie war auch Octavias schnelle Kränkungen leid.
Sie war das Reiten leid, das Leben aus dem Tornister, und sie konnte Wälder, steinübersäte Pfade und Kaninchen, die spöttisch davonhüpften, nicht mehr sehen, seit sie nur noch von Trockenfleisch lebten. Und schon gar keine Gefährtinnen, die alles andere als Gefährtinnen waren. Sie lehnte sich an die Rückwand der Bank und schloss die Augen.
Delaas Berührung weckte sie. »Das Essen ist fertig.«
»Ach.« Sharyl schaute sich um. »Wo ist Octavia?«
»Wer weiß?«, erwiderte die Führerin leicht ironisch. Sharyl verkniff sich eine unfeine Antwort. Noch ein paar Tage in der Gesellschaft der beiden, und sie würde sich nicht anders benehmen.
Delaa und Sharyl nahmen vor zwei heißen Portionen Eintopf und kleinen, frisch gebackenen Brotscheiben Platz. Hätte Sharyl gewusst, wo Octavia sich aufhielt, hätte ihr die erste gute Mahlzeit seit drei Tagen besser gemundet. In abgelegenen Orten wie diesem beäugte man die Entsagenden noch argwöhnischer als in den Städten.
Während des Essens fragte sie sich kurz, ob die Dritte im Bund vielleicht in eine Falle getappt war, und das weiche, süß schmeckende Brot verwandelte sich in ihrem Mund in Stroh. Sie hätte gern erwähnt, dass sie Octavia am liebsten gesucht hätte, aber sie wusste natürlich, dass Delaa es mit dem Argument ablehnen würde, dass eine auf ihre Fähigkeiten stolze Fechterin es bestimmt nicht guthieß, wenn eine Hebamme sie bemutterte. Sharyl aß noch etwas und dachte nach.
Als sie fast fertig waren, trat Octavia sorglos und lächelnd ein.
»Ah, das sieht gut aus.«
»Möchtest du nicht lieber mit deinen neuen Freunden essen?«, fauchte Delaa.
Sharyl knallte ihre Gabel auf den Tisch. »Das reicht«, sagte sie leise und wütend. »Ich höre mir euer Gequengel jetzt seit Monaten an, von eurem Benehmen auf der Reise ganz zu schweigen! Und ich habe nicht vor, es mir noch länger anzuhören. Wenn euch die Reife fehlt, euch gegenseitig so zu nehmen, wie ihr seid, oder ihr eurem Eid als Gildenschwester nicht Genüge tun könnt, seid wenigstens so höflich und behaltet eure Streitereien für euch!«
»Entschuldigung«, sagte Octavia ernst.
Delaa stierte auf ihren Teller. »Es ist hauptsächlich mein Fehler«, sagte sie leise.
»Es ist euer beider Fehler«, schimpfte Sharyl. »Delaa hat in einem Recht, Octavia. Du solltest nicht in einem fremden Ort herumstromern, wenn wir beide ohne Schwert sind. Es ist mir egal, wie gut du fechten kannst, dein Verhalten ist trotzdem unklug.
Außerdem ist es deinen Reisegefährtinnen gegenüber nicht rücksichtsvoll. Ich habe kaum gesehen, was ich gegessen habe, solche Sorgen habe ich mir um dich gemacht. Wenn ich nicht wüsste, dass man bei dir mit so was rechnen muss, hätte ich den ganzen Ort auf den Kopf
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