Die Schwesternschaft des Schwertes - 8
weißt, was ich von den Sitten der Terraner halte!«
»Bedeutet das Bewahren von Tradition etwa, dass man dem gesunden Menschenverstand gegenüber blind ist?« Renata schluckte ihre Wut herunter. Na schön, auch Geremy hatte ein Körnchen gesunden Menschenverstandes auf seiner Seite; sogar einige ihrer Lehrerinnen bezweifelten die Weisheit des Einsatzes komplizierter Techniken, um Kinder zu retten, denen die Göttin zu sterben erlaubt hatte. Aber doch nicht die Kinder meiner Tochter! Renata sagte etwas leiser: »Hättest du mich darüber informiert, wie schlecht es ihr geht, hätte ich wenigstens meine Instrumente mitgebracht. Einige der Arzneien in meinem Beutel könnten …«
Geremy errötete. »Sie braucht keinen der Tricks, die du von dem Weiberpack gelernt hast, das Ehefrauen dazu verführt, ihre Männer sitzen zu lassen!«
Geremy glaubte also noch immer an diesen Unfug. Er hätte es nachvollziehen können, wenn seine Gattin ihn wegen eines jüngeren und reicheren Mannes verlassen hätte - aber wegen Weiberpack? Er hatte Renatas Beweggründe nie verstanden.
»Es ist mir egal, was du von mir hältst, aber deine Gefühle sollten deine Tochter nicht daran hindern, die bestmögliche Behandlung zu bekommen.«
Geremy stand auf. »Ich möchte nicht mehr darüber sprechen. Du kannst so lange bleiben, wie Lanilla es möchte, aber infiziere sie nicht mit deinen verrückten Ideen.«
Renata knirschte mit den Zähnen, um ihn nicht anzuschreien.
»Glaub mir, Geremy, es würde mir nie einfallen, in deinem Haus Ideen zu verbreiten.«
In den Tiefen der Nacht wurde Renata von einem Donnerschlag geweckt. Von dem dreitägigen Ritt wundgescheuert, tastete sie sich zum Fenster und schaute hinaus. Im Licht eines Blitzes erkannte sie eine Regenwand und den überfluteten Stallhof.
Hatte nur das Donnern sie geweckt? Aus irgendeinem Grund kroch trotz des schweren Nachthemdes Kälte in ihre Glieder, und ihr Herz raste wie ein panisches Rabbithorn. War es bloße Nervosität nach einem harten Tag oder eine echte Warnung ihres geringen Larans?
Lanilla!, dachte sie. Etwas stimmt nicht mit ihr!
Im gleichen Augenblick zerriss ein Schrei die Luft. Renata griff nach einem Hausgewand, warf es über ihr Nachtkleid und eilte durch den Korridor. Erneut ertönte ein Schrei.
Sie jagte in Lanillas Zimmer, wo Annelys den Rücken der jungen Frau massierte und sich bemühte, sie zu beruhigen. Geremy ging neben der Tür auf und ab. »Es ist zu früh … Viel zu früh. Ich habe einen meiner Männer zur Hebamme geschickt …«
»Hast du das Gewitter draußen gesehen?«, rief Renata. »Glaubst du im Ernst, die Frau kann pünktlich hier sein? Wer weiß, ob dein Kurier sie bei diesem Wetter überhaupt findet?« Sie eilte an Lanillas Bett und nahm das Gesicht ihrer Tochter zwischen die Hände.
»Pssst, Chiya. Du musst ruhig bleiben. Hole tief und regelmäßig Luft. So ist es gut … Und atme langsam aus. Braves Mädchen.« Sie schaute der Schwangeren in die Augen und zwang ihren Atem dazu, langsamer und tiefer zu werden. Mit einem kurzen Blick auf Geremy sagte sie: »Ich kümmere mich um sie. Ich bin dazu ausgebildet worden.«
Mit geballten Fäusten erwiderte der Mann: »Glaubst du etwa, ich lasse zu, dass du an ihr herumpfuschst … ?«
»Welche Wahl hast du denn, du Narr?«, wütete Renata. »Sind dir deine Vorurteile wichtiger als das Leben deiner Tochter? Geh jetzt raus und lass mich meine Arbeit tun.«
Lanilla krallte sich in Renatas Schulter. »Ja, Mutter … Ich möchte, dass du es tust … Bitte, lass meine Kinder nicht sterben!«
»Arbeite mit mir zusammen, Liebling, dann tue ich mein Bestes.«
Zu Geremy sagte sie: »Falls die Hebamme je herkommt, schick sie nach oben.«
Der Angesprochene stolzierte hinaus.
Während der nächsten zwei Stunden dirigierte Renata Lanillas Atmung, während Annelys ihr den aufgeblähten Bauch streichelte.
Die Hebamme spürte das Echo von Lanillas Pressen als reißenden Schmerz in ihrem eigenen Körper. Sie drängte ihn in die untersten Schichten ihres Bewusstseins zurück, da sie wusste, dass es ihrer Tochter nicht half, wenn die Kontraktionen auch noch sie auslaugten. Als die Fruchtblase geplatzt war, hatte Lanilla wie ein waidwundes Tier gewinselt. Annelys entfernte vorsichtig mehrere Schichten durchnässter Laken und ersetzte sie durch trockene.
Renata streichelte Lanillas Finger, die sich immer wieder in den Saum der Schlafdecke krallten. »Du musst dich entspannen, Chiya, und deine Kraft fürs
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