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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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fort, wobei er sich das Kinn massierte. »Sie taugte nicht viel als Malerin. Sie war … wie sagt man … eher konzeptuell. Sie zeichnete einen Entwurf, und wir malten ihn.«
    Â»Das interessiert mich n…«, versuchte Kirill ihn zu bremsen, aber Yuri unterbrach ihn mit einer Handbewegung, stand dann auf und drückte auf einen Punkt an der weißen Wand hinter sich. Als würde sich in der Mauer plötzlich ein Riss bilden, ging eine große Schublade auf. Sie enthielt zahlreiche Aktenmappen, die der Alte mindestens eine Minute lang wortlos überflog. Als er endlich gefunden hatte, was er suchte, nämlich einen kleinen Pappordner, nahm er ihn heraus und schloss vorsichtig die Schublade, die wieder von der Wand verschluckt wurde.
    Yuri legte den Ordner auf den Schreibtisch und löste das Band, das ihn zusammenhielt: »Dieser Kram hier ist über sechzig Jahre alt.«
    Kirill betrachtete die Zeichnungen, die der Alte auf dem Schreibtisch ausbreitete, in seinen Augen fast alles nichtssagende Skizzen.
    Â»Na, da ist er ja«, sagte Yuri schließlich und strich vorsichtig den Entwurf zu dem Bühnenprospekt glatt. »Kein bemerkenswertes Stück … ziemlich viel Klimt, ein bisschen düsterer deutscher Expressionismus à la Kokoschka … sicher nicht gerade eines von Olgas Meisterwerken.«
    Kirill erhob sich, um die Zeichnung besser betrachten zu können.

    Â»Was sind das für dunkle Symbole unter dem Baum?«, fragte er, nachdem er sie eine Weile lang studiert hatte.
    Â»Olgas Markenzeichen.«
    Â»Kannst du dich deutlicher ausdrücken?«
    Yuri nahm andere Zeichnungen, auf denen verschiedene Kombinationen genau derselben Symbole zu sehen waren. Manchmal nur eine aus zwei oder drei Symbolen, manchmal eine ganze Folge. Aber immer dieselben und auf eine Weise angeordnet, die beabsichtigt-zufällig wirken konnte.
    Â»Wie du siehst, brachte Olga sie überall unter.«
    Â»Und was bedeuten sie?«
    Â»Keine Ahnung. Aber wenn diese Symbole eine Bedeutung haben, so hat die liebe Olga das Geheimnis mit ins Grab genommen.«
    Â»Das hilft mir nicht gerade weiter …«, stellte Kirill enttäuscht fest.
    Yuri breitete die Arme aus.
    Â»Hast du noch mehr zu erzählen?«, drängte der Sibirier, der allmählich zu fürchten begann, vollkommen umsonst bis hierher gelangt zu sein.
    Â»Natürlich habe ich das. Sieh dir den Entwurf genau an. Olga selbst hat ihn gezeichnet. Allerdings …«
    Â»Allerdings?«
    Der Alte lachte scheinheilig. Aber bevor er weitersprechen konnte, ließ eine Explosion die Wände erzittern.
    Â»Rums!«, rief der Alte zufrieden.
    Kirill achtete überhaupt nicht darauf. In ein paar Stunden würde er dieses Land, das ihn kein bisschen interessierte, bereits verlassen haben, doch jetzt musste er sich auf dieses Rätsel konzentrieren.
    Â»Leider habe ich keine Fotos von der fertigen Arbeit«, nahm Yuri den Faden wieder auf. »Sonst wäre dir sofort alles klar.«
    Der Sibirier zog das kleine Plakat, das Nadja ihm überlassen hatte, aus einer Tasche. Die Symbole unterhalb des Baumes waren nicht genau zu erkennen, aber man sah sofort, dass irgendetwas nicht stimmte.
    Â»Wo hast du das her?«, wunderte sich Yuri.
    Â»Wir haben es in Sankt Petersburg aufgetrieben.«
    Der Alte forderte ihn durch ein Zeichen auf, es ihm zu geben, dann verglich er es einige Augenblicke mit dem Entwurf, drehte die Blätter schließlich um und hielt sie Kirill vor die Nase: »Siehst du?«, fragte er herausfordernd.
    Kirill brauchte nur ein paar Sekunden. »Ein paar Symbole sind anders als im Originalentwurf …«
    Der Alte nickte schweigend.
    Â»Warum?«, fragte Kirill.
    Â»Um Olga eins auszuwischen. Diese Nervensäge hatte entdeckt, wo ich den Wodka versteckte, und hat ihn beschlagnahmt … ich war erst vierzehn, verstehst du? Sie hat es verdient. Ich habe ihr ihre Markenzeichen etwas durcheinandergebracht. Ich kannte die Symbole auswendig, so oft, wie ich sie für sie malen musste: Trauben, Bäume, Kleeblätter … solches Zeug.«
    Kirill war sprachlos. Sein Blick schweifte erneut von dem Plakat zum Originalentwurf, wobei er jedes Detail in Augenschein nahm. »Was auch immer Olga mit dieser Zeichenfolge sagen wollte, in dem fertigen Werk ist die Botschaft verändert.«
    Yuri nickte grinsend.
    Â»Kann ich das Original haben?«, fragte Kirill.
    Der Alte starrte ihn ein

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