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Die Schwesternschaft

Die Schwesternschaft

Titel: Die Schwesternschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger R. Talbot
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erfahren, was Iv mit ihr vorhatte.

69
    Sankt Petersburg, Museum der Russischen Kunstakademie
Freitag, 8. April, 11.22 Uhr
    Â»Wer war Olga Twardowski wirklich?«, fragte Nadja erneut.
    Wasily schüttelte den Kopf.
    Seit beinahe einer halben Stunde saß Nadja dem alten Archivar gegenüber, doch trotz wiederholter Anläufe hatte sie bisher noch nichts von ihm erfahren. Hätte sie Zangen zur Verfügung gehabt, um die Antworten aus ihm herauszuziehen, hätte sie nur allzu gern davon Gebrauch gemacht.
    Â»Weshalb wollen Sie es mir nicht sagen?«
    Wasilys Blick war auf das kleine Plakat gerichtet, das sie ihm wieder mitgebracht hatte, um einen Vorwand für ihren Besuch zu haben.
    Â»Bitte, Wasily«, beharrte Nadja verzweifelt. »Ich muss es wissen. Wegen diesem Bühnenprospekt ist meine Mutter gestorben und mein Vater vergiftet worden. Bitte, helfen Sie mir.«
    Nadja war mit ihrer Geduld beinahe am Ende. Warum verhielt sich dieser Mann so? Auch wenn sie Kirill um Hilfe gebeten hätte, der hinter der Tür wartete, hätte das nichts verändert: Bei jeder Frage gab sich der Alte nur noch verschlossener. Offenbar wusste er etwas. Sie beschloss, nicht lockerzulassen. »Gut, Sie möchten nicht antworten. Dann werde ich Ihnen eine Geschichte erzählen.«
    Wasily sah auf.
    Â»Eine Bühnenbildnerin, die seit über sechzig Jahren tot ist, fügt in ihre Bühnenprospekte einen Code ein«, begann Nadja. »Einige Zeichen dieses Codes hatte sich meine Mutter tätowieren lassen. Es sind Zahlen. Das ist der Zusammenhang zwischen dem Diebstahl eines ziemlich wertlosen Bühnenprospekts und bestimmten geografischen Koordinaten.«
    Â»Koordinaten?«, entfuhr es Wasily.
    Â»Ja, sie führen nach Dublin, wo ein Stein versteckt war, den ich gesehen habe, aber nicht einmal berühren durfte, eine große runde Scheibe mit seltsamen Vertiefungen … die Mörderin meiner Mutter hat danach gesucht, sie hat ihn Buch der Blätter genannt, aber auch ›Dosierstein‹ …« Nadja starrte den alten Archivar an, doch der rührte sich nicht.
    Â»Ich bin sicher, dass Sie zumindest eine der folgenden Fragen beantworten können. Wer war Olga Twardowski wirklich? Welche Verbindung stellt dieser Code zwischen Olga, meiner Mutter und ihrer Mörderin her? Wozu dient das Buch der Blätter ? Warum ist es derart wichtig, dass jemand dafür tötet?«
    Wasily faltete das Plakat sorgfältig zusammen. Dann begann er zögernd zu sprechen. »Sie haben erneut eine weite Reise auf sich genommen, um mich zu treffen, aber wie Sie bereits bemerkt haben, rede ich nicht gern über diese Geschichte. Selbst die Zeit kann die Erinnerung an das stärkste Gefühl, das ich je hatte, nicht schwächen. Ich bin beinahe am Ende meines Weges angelangt, und ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich bin so verstaubt wie dieser Ort, aber ich habe gelebt. Das verdanke ich Olga.«
    Nadja hielt den Atem an. Es schien, als habe sich in dem Alten endlich eine Blockade gelöst. »Was hat sie Ihnen bedeutet?«, drängte sie ihn fortzufahren.
    Wasily strich sich über die Lippen, sein Blick verlor sich in der Erinnerung. »Sie hat mir etwas gegeben, was mir niemand anders hätte geben können: Leidenschaft. Nach ihrem Tod habe ich einen ganzen Monat lang geweint, ich verzehrte mich, weil ich ihre Haut nicht mehr berühren konnte. Ich war beinahe noch ein Kind, aber der Krieg hat mich rasch zum Mann werden lassen. Das letzte Mal, das ich sie sah, war, um eine Zahlung entgegenzunehmen, aber ich verweigerte die Annahme im Gegenzug für einen Kuss. Das ist der Grund, weshalb ich nicht gern darüber spreche.«
    Â»Welcher Grund?«
    Wasily schloss einen Moment lang die Augen. »Liebe.«
    Â»Aber Olga ist vor über sechzig Jahren gestorben!«, wandte Nadja verwundert ein.
    Der Mann sah sie mit schwermütigem Blick an: »Meine Liebe ist nicht mit ihr gestorben.«
    Nadja legte die Hände auf den Tisch, der mit Verzeichnissen und alten Dokumenten übersät war. »Was war an dieser Frau so besonders?«, fragte sie.
    Wasily schien nicht bereit zu antworten. Aber dann rang er sich doch dazu durch: »Ich weiß nicht. Aber im Lauf der Jahre habe ich ihre Welt mit dem Mythos der Schwestern in Verbindung gebracht.«
    Â»Wer sind diese Schwestern?«
    Â»Das weiß keiner so genau. Nicht einmal Sie, mein Fräulein, obwohl

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