Die schwimmende Stadt
abstrus. Wenn die Amazone ihn wirklich töten wollte, hätte sie dies auf einfachere Weise tun können. Er besaß keine Waffe mehr, um sich wirksam zu verteidigen.
Fremdartige Gewürze verliehen dem Fleisch einen ausgezeichneten Geschmack. Auch der Wein war eine Freude für den Gaumen. Obwohl er ein volles Aroma entfaltete, machte er nicht trunken.
Die Überreste der Mahlzeit warf Mythor in ein kleines Loch im Boden, von dem er annahm, daß es unmittelbar ins Meer führte. Denn gelegentlich stieg aus der Tiefe ein hohles Brausen und Gurgeln herauf.
Die Fackel brannte nur langsam ab. Mythor wußte nicht zu sagen, ob Mitternacht inzwischen vorüber war. Aber allmählich kehrte die Müdigkeit zurück.
Er schlief ein, ohne sich länger Sorgen um die nahe Zukunft zu machen. Irgendwie, das fühlte er, würde er sie meistern können.
*
Es wurde ein tiefer, traumloser Schlaf, der neue Kräfte brachte. Als Mythor erwachte, herrschte draußen bereits heller Tag. Die Fackel war abgebrannt und längst erkaltet.
Freudige Erregung durchflutete ihn.
Neben ihm lag Alton mitsamt der Scheide. Außerdem ein Bündel Kleider.
Die Klinge war unversehrt, und der Knauf des Schwertes schmiegte sich warm in seine Hand. Mythor führte einen Streich gegen einen unsichtbaren Gegner – ein leises Klagen erfüllte die Luft.
Dann erst bückte er sich nach dem Gewand. Es bestand aus einem roten, langärmligen Hemd, einem Lederoberteil von unbestimmbarem Braun, das, als Leibrock geschnitten, bis auf seine Oberschenkel reichte, und einer langen Hose sowie Stulpenstiefeln. Alles war in einen Umhang eingerollt gewesen.
Scida schien zu wollen, daß er diese Kleidung anlegte.
Tatsächlich gefiel Mythor das Wams um vieles besser als jenes, das er auf Tau-Tau erhalten hatte. Er zögerte nicht, es anzuziehen.
Das Brustteil sowie die Schultern waren durch eingenähte, nur als Steppwulst erkennbare Eisenstreifen verstärkt. Die Hose besaß gerade die richtige Länge, war bequem und lag eng an, nicht jedoch hautnah. Ihre Farbe war ebenfalls naturbelassen. Die Stiefel reichten bis unter die Knie.
Der Gürtel, breit und aus festem Leder gefertigt, trug eine ovale Schnalle, die als Wappen einen geflügelten Löwen zeigte. Das gleiche Abbild war in goldener Stickerei auf dem außen schwarzbraun gefärbten Umhang wiedergegeben, der Mythor bis in die Kniekehlen reichte und innen dieselbe rote Färbung wie das Hemd aufwies. Auch die Spange, die den Stoff am Hals zusammenhielt, zeigte den geflügelten Löwen.
Lediglich eine neue Scheide für Alton fehlte.
Gerade als Mythor den Umhang wieder ablegen wollte, wurde die Tür aufgestoßen. Er wirbelte herum.
»Sieh da, Scida«, sagte er in bissigem Tonfall. »Du bist doch Scida, oder?«
Die Amazone nickte. Mit brennendem Blick musterte sie ihn, wobei ihr nicht die geringste Regung zu entgehen schien.
»Ich nehme an, du hast mir diese Sachen bringen lassen«, fuhr Mythor fort. »Warum? Ich war mit meinen durchaus zufrieden.« Täuschte er sich, oder huschte wirklich ein Schatten über ihr Gesicht?
»Du wirst dir das Gewand verdienen müssen«, stellte Scida fest, ohne auf seine Worte einzugehen. »Kämpfe und erweise dich als würdig, es zu tragen.«
Ihr Schwert beschrieb einen blitzenden Halbkreis, bohrte sich in den versteinerten Schwamm der Wand und riß winzige Splitter heraus. Im nächsten Moment sprang sie auf Mythor zu, und ihre Klinge schmetterte von oben herab.
Der Kämpfer der Lichtwelt wich zur Seite. Scida lief ins Leere, griff aber sofort erneut an. Kaum eine Handbreit über dem Boden führte sie den Hieb, dem Mythor nur mit knapper Mühe entging.
Sie kreuzten die Klingen, umkreisten sich lauernd und kamen einander dann wieder so nahe, daß sie den heftigen Atem des anderen spürten.
Manchmal handhabte der Sohn des Kometen Alton wie einen Zweihänder und schlug mit aller Wucht zu. Schnell erkannte er jedoch, daß es unmöglich sein würde, die Amazone auf diese Weise in Bedrängnis zu bringen. Sie schien jeden seiner Streiche im voraus zu ahnen.
Scida ließ ihn nicht zur Besinnung kommen, suchte ihn mit blitzschnellen Hieben zu verwunden und zog sich zurück, sobald er seinerseits auf sie eindrang.
Mythor mußte sich eingestehen, daß die Amazone ihm überlegen war. Sicher hätte sie ihn besiegen können, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund schien ihr daran gelegen zu sein, den Zweikampf bis zur Neige auszukosten.
Allmählich prallten die Klingen härter aufeinander. Nur so
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