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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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den Armschutz. Alle anderen Teile schien sie für überflüssig zu halten. Dies zeugte nicht eben von einer besonders hohen Meinung, die sie von ihrem Gefangenen hatte.
    Die beiden Schwerter »Herz« und »Seele« steckten in den Scheiden. Scida hielt eine etwa zweieinhalb Ellen lange und einen Finger breite eiserne Stange in den Händen. Herausfordernd blickte sie Mythor an.
    »Was willst du von mir?« fragte der Sohn des Kometen nach einer Weile des Schweigens.
    Scida stieß das eine Ende ihrer Waffe hart auf den Boden, erwiderte aber nichts.
    »Ich werde nicht mit dir kämpfen«, sagte Mythor bestimmt.
    Die Amazone gab sich keine Mühe, ihr offensichtliches Erstaunen zu verbergen.
    »Wenn es dir nur darum geht, deinen Mut zu beweisen, suche dir andere Gegner«, fuhr Mythor fort.
    »Schweig, Kerl«, brauste sie auf. »Du scheinst zu vergessen, daß du nur ein Mann bist. Niemand darf sich einen solchen Ton erlauben.«
    »Willst du mich dafür zur Rechenschaft ziehen? Vielleicht könntest du mich wirklich besiegen…«
    »Wenn dir so wenig daran liegt, deine Freunde wiederzusehen…« Scida wandte sich um. Ihre Haltung verriet jedoch angespannte Aufmerksamkeit. Immerhin konnte es sein, daß der Gefangene sie von hinten angriff.
    »Ramoa und Gerrek«, platzte Mythor heraus. »Was ist mit ihnen? Wo sind sie?«
    Scida tat so, als hörte sie seine Frage nicht.
    »Verdammt!« Der Kämpfer der Lichtwelt hastete hinter ihr her. Fast hatte er die Amazone erreicht, als sie die Eisenstange herum wirbelte.
    Mythor verspürte einen schmerzhaften Schlag gegen seine linke Schulter. Instinktiv packte er zu, aber die Stange glitt zwischen seinen Fingern hindurch.
    Scida lachte hell auf.
    »Hältst du mich für so dumm? Ich verstehe mein Handwerk wie in jungen Tagen. Die Art, ein Schwert zu führen oder eine andere Waffe, muß in Fleisch und Blut übergehen.«
    Mit der Linken hielt sie jetzt das Eisen am unteren Ende, mit der anderen Hand im ersten Drittel, wobei die Stange schräg aufwärts gerichtet war.
    »Was ist mit meinen Freunden?« wiederholte Mythor drängend. »Antworte endlich!«
    »Hast du noch Hoffnung, sie lebend wiedersehen?« fragte Scida. »Honga, du kennst Galee nicht.«
    Um seine Mundwinkel begann es zu zucken.
    »Laß mich vorbei!« forderte er.
    Scida schüttelte den Kopf.
    »Wenn du es nicht anders willst«, rief Mythor aufgebracht und zog Alton. Das zufriedene Aufblitzen in den Augen der Amazone übersah er.
    Nicht einen Schritt wich sie zur Seite. Als das Gläserne Schwert durch die Luft schnitt, stieß Scida die Eisenstange mit kurzer, ruckhafter Bewegung vor. Die Waffe prallte gegen Mythors Schwertarm und setzte seinem Hieb ein abruptes Ende.
    Dem sofort folgenden, wie mit einer Lanze vorgetragenen Angriff wich er durch eine Drehung seines Körpers aus. Wieder entglitt die Stange seinen zupackenden Fingern.
    »Sieh dich vor«, warnte sie. »Wie leicht läßt sich eine solche Blöße ausnutzen.«
    Mythor biß die Zähne zusammen. Er wußte, daß die Amazone recht hatte. Dennoch war ihm unverständlich, weshalb Scida auf ihn einredete, nachdem sie anfangs beharrlich geschwiegen hatte. Wollte sie ihn ablenken?
    Er riß Alton hoch und schlug zu. Aber die Frau hielt die Stange bereits an beiden Enden und wehrte seinen Hieb ab. Sie versuchte sogar, ihm Alton aus der Hand zu prellen.
    »Es muß nicht immer ein Schwert sein«, meinte sie. »Man kann mit vielem einen Gegner besiegen. Worauf es ankommt, ist das Gefühl, mit seiner Waffe zu verschmelzen.«
    Wie eine Keule führte Scida jetzt das Eisen, schwang es abwechselnd von rechts und links herab. Mythor war gezwungen, zurückzuweichen.
    »Wozu die Belehrung?« keuchte er.
    »Du bist zu ungestüm, Honga. Was nützen dir Kraft und Ausdauer, wenn du sie nicht richtig einzusetzen weißt?«
    Er riß die brennende Fackel aus der Halterung und wirbelte sie Scida entgegen.
    Die Amazone zeigte sich unbeeindruckt. Wie das Paddel eines Bootes griff sie nun die Stange und stieß abwechselnd mit beiden Enden zu. Mythor kam nicht nahe genug an sie heran. Abermals mußte er einen schmerzhaften Treffer einstecken, als Scida das Eisen durch ihre Hände rutschen ließ.
    Im nächsten Augenblick huschte sie durch die noch immer halb geöffnete Tür aus der Höhle. Krachend fielen die Riegel zu.
*
    Der Rest der Nacht war begleitet von vielfältigen Geräuschen, die mal nah zu sein schienen und dann wieder unendlich weit. Die Töne waren durchaus dazu angetan, furchtsamen Seelen

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