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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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eisige Schauer über den Rücken zu jagen.
    Mythor fand keinen Schlaf. Von einer befremdlichen Unrast getrieben, wanderte er in der Höhle auf und ab.
    Sobald er stehenblieb und die Augen schloß, glaubte er, Fronja vor sich zu sehen. Aber trübe Schleier verdeckten ihre Schönheit, und ihre Stimme klang dumpf und gepreßt an sein Ohr, als spräche sie aus der Tiefe eines Abgrunds zu ihm. Hilfesuchend reckte sie ihm die Arme entgegen.
    »Was soll ich tun?« murmelte Mythor leise. Seine Ahnungen, daß die Tochter des Kometen bedroht wurde, verdichteten sich allmählich zur Gewißheit.
    »Führe mich den Weg, dich zu finden!«
    Aber Fronja schien ihn nicht zu hören. Ihr Blick ging an Mythor vorbei und verlor sich in endloser Ferne.
    Kurz darauf verblaßte die Illusion.
    War der Sohn des Kometen nur deshalb nach Vanga gekommen, um hier seine Ohnmacht zu erleben? Diese Welt war so anders als Gorgan, ungreifbar irgendwie, doch gleichzeitig seltsam vertraut.
    »Hilf mir Quyl!«
    Er mußte den Weg zu Ende gehen, den er vor vielen Monden mit Nyalas Hilfe beschritten hatte. Ein Zurück gab es nicht mehr.
    Zitternde Schatten huschten über die Wände, als trieben Geister ihr ruheloses Unwesen. Die Fackel war nahezu abgebrannt und verbreitete einen durchdringenden Geruch von Harz. Mythor starrte in die vergehenden Flammen, als könnten sie ihm Antwort auf seine Fragen geben. In Gedanken sah er die Welt brennen und die Mächte der Schattenzone nach allem Leben greifen.
    Ein leises Geräusch schreckte ihn auf. Jemand hantierte an den Riegeln der Tür.
    Mythor stellte sich schlafend. Unter den leicht geöffneten Lidern hervor konnte er zwar nicht erkennen, wer die Höhle betrat – Scida zumindest war es nicht, denn sie trug keine kniehohen ledernen Stiefel.
    Der nächtliche Besucher blieb unmittelbar neben ihm stehen. Mit einem einzigen Satz kam der Krieger der Licht weit auf die Beine und packte zu. Der Mann mit dem er es zu tun hatte, stieß einen erstickten Schrei aus und ließ den Krug, den er in den Händen hielt, zu Boden fallen.
    »Jerka«, stellte Mythor überrascht fest. Eine Hand preßte er dem Sklaven auf den Mund, um ihn am Schreien zu hindern. »Du wagst es, mir noch unter die Augen zu treten, nachdem du mich in diese Falle gelockt hast.« Angestrengt lauschte er in die Nebenhöhle, aber der Lärm schien niemanden aufgeschreckt zu haben. Möglich, daß Scida nicht in der Nähe weilte.
    Der Insulaner zitterte vor Angst.
    »Wir beide werden jetzt von hier verschwinden«, raunte Mythor ihm zu. »Und keinen Laut, rate ich dir. Sonst bekommst du die Schärfe meiner Klinge zu spüren.«
    Jerka versuchte ein krampfhaftes Nicken und atmete tief durch, als die Hand sich von seinem Mund löste.
    »Ich kann nichts dafür«, begann er sofort in flüsterndem Tonfall. »Bitte glaube mir, ich mußte es tun. Wenn nicht, hätte Scida mich getötet.«
    »Du bist ein Feigling.«
    »Mag sein, vielleicht. Aber was soll ich tun? Ich habe Angst. Jeder von Scidas Ködersklaven hat Angst, daß er den nächsten Tag nicht mehr erlebt.«
    » Ködersklaven? « fragte Mythor. »Heißt das, daß es deine Aufgabe ist, andere in die Gewalt der Amazone zu locken?«
    »Nein. Scida benutzt uns, um…«
    »Genug!« Eine befehlsgewohnte Stimme ließ Jerka verstummen. Trotz des spärlichen Scheines der Fackel konnte Mythor erkennen, daß der Insulaner noch blasser wurde, als er dies ohnehin schon war.
    »Geh mir aus den Augen!« fauchte die Amazone, die breitbeinig in der Türöffnung stand und bedeutungsvoll die Klinge ihres Schwertes zwischen den Fingern der linken Hand hindurchgleiten ließ. Jerka wand sich aus Mythors Griff und huschte an ihr vorbei, ohne daß sie ihn auch nur eines Blickes würdigte.
    »Nun zu dir, Honga. Ich ahnte, daß du eines Nachts versuchen würdest zu fliehen.«
    »Also wieder eine Falle?«
    Scida schüttelte den Kopf und kam langsam näher.
    »Jerka war ahnungslos, daß ich ihm folgte. Es ist nicht gut, wenn Männer zuviel von den Plänen einer Frau wissen. Sie sind schwach und verraten schnell alle Geheimnisse.«
    »Was hast du mit mir vor?«
    »Ungeduldig, Honga?« entgegnete Scida zynisch. »Ungeduld ist die Mutter allen Leidens. Du wirst es früh genug erfahren, sobald die Zeit reif dafür ist.«
    »Ich finde«, sagte Mythor und zog Alton, »sie ist es längst.«
    »Dann erkämpfe dir den Weg in die Freiheit.« Gelassen blickte Scida ihm entgegen. Und sie führte ihr Schwert von unten herauf und wehrte Alton ab, als er

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