Die schwimmende Stadt
konnte, schien sie nicht im mindesten zu beeindrucken. Ahnte sie, daß Honga keiner Wehrlosen zusetzen würde?
»Ich habe bisher keinen Mann kämpfen sehen wie dich«, sagte sie. »Du bist ein noch besserer Schüler als Kunak und wirklich würdig, sein Gewand zu tragen.«
»Wer ist Kunak?« fragte Mythor verblüfft. »Dein Gefährte?«
Scida lachte hell auf.
»Sich an einen zu binden, ist etwas für das gemeine Volk – für uns Amazonen gibt es genügend Sklaven, die jedem Befehl gehorchen.
Kunak war ein Barbar aus dem Land der Wilden Männer, den ich gefangen, domestiziert und zu meinem Begleiter erwählt habe. Leider kam er ums Leben, als der Stern von Walang vor Gondaho sank.
Doch stecke endlich dein Schwert weg. Von mir hast du nichts zu befürchten.«
Mythor zögerte zunächst, dann gab er sich einen merklichen Ruck und stieß Alton in die Scheide zurück.
»Komm«, sagte die Amazone, während sie »Herz« und »Seele« aufhob. »In meinen Räumen redet es sich leichter.«
Scida bewohnte eine kleine Höhle, die kaum zehn Schritte im Viereck maß. Allerdings hatte sie es verstanden, den Raum wohnlich einzurichten.
Tierfelle und die verschiedensten Waffen hingen an den Wänden. Mythor sah Dolche, Spieße und Keulen. Ein kleiner runder Tisch nahm die Mitte der Höhle ein. Zwei kunstvoll geschnitzte Stühle standen davor.
Mythors interessierter Blick schien Scida nicht zu entgehen.
»Es gefällt dir? Du kannst bei mir bleiben. Zusammen wären wir unschlagbar.«
Träume, dachte er bitter. Und laut sagte er, ohne auf ihr fast schon forderndes Angebot einzugehen:
»Ich habe lange nicht solche Arbeit gesehen.«
Scida nickte anerkennend.
»Die Möbel sind ziemlich das einzige, was ich von meinem Schiff retten konnte. Es war ein gutes Schiff, das mich sicher über die Meere Vangas trug.«
»Der Stern von Walang «, vermutete Mythor.
»Benannt nach der Hauptstadt meiner Heimat, der Walangei. Doch trink, Honga. Es ist nicht gut, wichtige Dinge mit trockener Kehle zu besprechen.« Sie begann, sich Teile ihrer Rüstung zu entledigen. »Dort drüben, unter dem Regal, steht ein Krug voll Wein«, sagte sie. »Hole ihn her und zwei Becher.«
Lediglich das Kettenhemd behielt Scida an. Mit einem schnellen Griff löste sie ihren Haarknoten. Offen fiel das volle Haar bis über die Schultern. Ihr Gesicht bekam dadurch einen weichen Ausdruck.
Die beiden Schwerter hängte sie samt den ledernen Scheiden an die Wand.
»Mein 'Herz' heißt Dangita «, erklärte sie. »Nach der ersten besiegten Gegnerin, die mich wirklich gefordert hat. Viele glauben, daß die Seele des getöteten Gegners in einer noch namenlosen Klinge aufgeht.
Das zweite Schwert nenne ich Lacthy. Das ist eine Amazone der Zaubermutter Zytha. Vor vielen Wintern hat sie mich zutiefst gedemütigt, gab mir aber niemals Gelegenheit, die Schande von mir abzuwaschen. Ich hoffe, daß meine ,Seele’ ihren Namen eines Tages zu Recht trägt. Du bist der erste, dem ich dies sage. Hüte dich davor, es andere wissen zu lassen.«, Mythor füllte die Becher und stellte einen vor Scida hin. Die Amazone nahm auf dem Stuhl ihm gegenüber Platz.
»Trink!« forderte sie ihn auf.
Mythor nippte vorsichtig und abwartend.
»Auf unsere Zukunft«, rief Scida aus.
Der Sohn des Kometen erwiderte nichts darauf. Er mußte an Gerrek und Ramoa denken und daran, daß er seit Tagen nicht mehr von Fronja geträumt hatte.
»Wieviel Zeit ist vergangen, seit ich auf Gondaha strandete?« wollte er wissen.
»Wir schreiben den Blitzmond der Zaubermutter Ziole«, erklärte Scida. »Im Dämmerland und auf Tau-Tau wird diese Zeit der Schwarznebel genannt. Mein Ködersklave brachte dich im zweiten Zehnt des Elvenmonds zu mir.«
»Du gehörst nicht auf diese Schwimmende Stadt«, stellte Mythor fest.
»Nein«, sagte Scida. »Obwohl Gondaha mir längst nicht mehr so fremd ist wie dir. Ich konnte mich lediglich mit ein paar Sklaven und einigen meiner Kriegerinnen retten. Das Schicksal wollte es, daß Kunak ertrank.« Ihre Stimme ließ keine Regung erkennen. Versonnen blickte sie auf ihr Gegenüber. »Seine Kleider sind dir wie auf den Leib geschneidert. Überhaupt scheint ihr euch in vielem ähnlich zu sein. Ich bin sicher, du wirst mir helfen, das Geheimnis zu lüften, das auf Gondaha liegt.«
Sie hob den noch halbvollen Becher, leerte ihn in einem Zug und stellte ihn dann hart auf die Tischplatte zurück.
»Wenngleich die Bewohner der Schwimmenden Stadt mir nie feindlich
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