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Die schwimmende Stadt

Die schwimmende Stadt

Titel: Die schwimmende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hubert Haensel
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gegenübertraten, verlor ich nach und nach meine Amazonen. Selbst Jewa, meine Beraterin, ist spurlos verschwunden, seit sie aufbrach, das Rätsel Gondahas zu lösen. Wie jene Hexe, die mit dir kam, war sie Trägerin des achten Steines. Bis heute ist sie nicht wieder aufgetaucht. Also weilt sie nicht mehr unter den Lebenden.« Scida sagte dies mit einer solchen Bestimmtheit, daß keine Zweifel aufkommen konnten.
    Mythor unterbrach sie nicht. Er fühlte, daß diese Frau von innerem Gram gequält wurde. Sie nannte sich mitschuldig am Tod ihrer Begleiterinnen. Vor allem ihr Verhältnis zu Kunak mußte ganz besonderer Natur gewesen sein. Vielleicht hatte sie den Mann wie eine Tochter behandelt, die ihr vom Leben verwehrt worden war.
    Stand ihm bevor, ähnliche Zuneigung zu empfangen? Mythor hoffte es nicht, denn Scida würde ihn dann niemals aus freien Stücken ziehen lassen.
    »Ich habe dich gelehrt, wie eine Amazone zu kämpfen«, fuhr sie fort, »weil du, Honga, mich unterstützen wirst, das Geheimnis zu ergründen. Auf den ersten Blick erkannte ich, daß du kein Mann bist wie jeder andere. Du bist zu Größerem geboren und verstehst es, eine Aufgabe, die du einmal angepackt hast, auch zu Ende zu führen.«
    Mythor sprang auf.
    »Schlage dir das aus dem Kopf. Ich bin nicht gewillt, für dich den Sklaven zu spielen. Meine Gefährten sind mir wichtiger als ein paar verschwundene Weiber, von denen niemand weiß, in welcher Hafenstadt sie mittlerweile herumlungern.«
    »Hüte deine Zunge«, zischte Scida. »Ich weiß genau, daß weder Jewa noch eine meiner Amazonen diese Schwimmende Stadt verlassen haben.«
    »Trotzdem werde ich meine eigenen Wege gehen. Ich muß mir Gewißheit über das Schicksal von Gerrek und Ramoa verschaffen«, beharrte Mythor.
    Hatte er erwartet, daß Scida nun aufbrausen und ihr Recht als seine Meisterin geltend machen würde, so wurde er enttäuscht. Kein Wort sagte sie, stützte statt dessen ihren Kopf auf beide Handflächen und blickte ihn nachdenklich an. Aus ihrer Miene sprach die Überzeugung, daß er seine Meinung ändern würde.
    Mythor fühlte, wie die Unsicherheit sich nagend in seine Gedanken einschlich.
    »Du verschweigst mir einiges«, stellte er schließlich unumwunden fest.
    »Ich weiß nichts über den Verbleib deiner Gefährten, aber sie werden denselben Weg gegangen sein wie meine Amazonen.«
    »Du meinst…«
    Scida schenkte sich den Becher ein zweitesmal voll.
    »Setze dich wieder, Honga. Du wirst nicht umhinkommen, meine Wünsche zu erfüllen, denn allein findest du dich in Gondaha wohl nur schwer zurecht. Die Schwimmende Stadt ist groß, und Gefahr mag überall lauern.«
    »Dann zeige mir die Insel. Am besten brechen wir sofort auf, solange noch Tag ist.«
    Scida schüttelte den Kopf.
    »Dazu ist es zu früh. Erst werde ich deine Ausbildung beenden.«
    »Was fehlt mir zur Vervollkommnung?«, fragte Mythor überrascht.
    »Habe ich nicht bewiesen, daß ich mit dem Schwert umzugehen verstehe?«
    »Sicher«, meinte Scida. »Nur sind ein flinkes Auge und ein starker Arm allein nicht alles. Die Ausbildung einer Amazone erstreckt sich über viele Sommer hinweg. Bis du das Nötigste beherrscht, wird ein weiterer halber Mond vergehen. Immerhin bist du nur ein Mann.«
    »Nein!« sagte Mythor bestimmt. »Du kannst dir suchen, wen du willst. Ich werde nicht einen Tag zögern.«
    »Du wagst es, mir zu widersprechen«, brauste Scida auf.
    »Ich bin nicht dein Sklave!« unterbrach er. »Wenn du das so siehst, ist es wohl besser, ich suche meine Freunde auf eigene Faust.«
    »Du würdest nicht weit kommen, Honga.«
    »Aber du brauchst mich. Hättest du sonst zwei Monde lang gewartet?«
    »Also gut«, seufzte Scida. »Ich will deine Hilfe, und ich werde sie bekommen.«
    Am fernen Horizont dräute eine düstere Nebelwand. Die Schwärze wallte und brodelte und schien mit immer neuen Auswüchsen gierig nach der sinkenden Helligkeit des Tages zu greifen.
    Dort begann die Dämmerzone, der sich nach Norden hin das Reich der Finsternis und Dämonen anschloß.
    Von den Höhlen der Scida aus war die Schwimmende Stadt nur in einem geringen Teil ihrer Ausdehnung zu überschauen. Schon einmal hatte Mythor einen ungefähren Eindruck von der überraschenden Größe des Eilands erhalten.
    Scida, die seine Blicke bemerkte, sagte:
    » Gondaha ist inzwischen etwa tausend Schritte lang und halb so breit – und sie wächst stetig weiter, bis sie eines fernen Tages auseinanderbrechen wird.«
    »Wie entsteht solch

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