Die Schwingen des Todes
Behörde sieht es gern, wenn ein Jude sich um jüdische Angelegenheiten kümmert, genauso wie man es gern sieht, dass sich ein Schwarzer mit den Schwarzen oder ein Puertoricaner mit den Puertoricanern befasst. Zu den Jungs aus der Dominikanischen Republik schicken sie auch schon mal einen Kubaner. Für die Koreaner haben wir gleich mehrere Koreaner und ein paar Taiwanesen; außerdem verfügen wir über einen besonderen Beamten für die Haitianer. Und falls drüben in Brooklyn ein Jude betroffen ist, werden Stefe Gold, Ken Geraldnick oder Stan hier losgeschickt. Habe ich Recht?«
»Absolut«, pflichtete Gindi ihm bei. »Wobei ich das gar nicht mal schlecht finde.« »Ich hab nicht gesagt, dass das schlecht ist.«
»Wir haben hier in Brooklyn eine ganze Reihe jüdischer Beamter. Wahrscheinlich sogar mehr als in der City. Schließlich leben in Brooklyn ja auch viele Juden. Aber nicht so viele wie bei dir, Mick.«
»Nein, nicht so viele, obwohl die Juden der West Side die Grenze immer weiter nach Norden verschieben. Und wenn man ganz weit in den Norden fährt, stößt man auf die von Washington Heights. Deswegen war ich heute Morgen auch s chon da oben.«
»Was war denn los?«, wollte Gindi wissen.
»Ein Überfall auf irgendeinen billigen Schmuckladen. Der Besitzer ist Chassid. Bekam ein paar Kugeln ab, ausgerechnet in den Hintern. Der Typ lebt in Wash Heights. Zur Synagoge wird er es heute Abend wohl nicht schaffen, aber es hätte schlimmer kommen können.«
Sie standen vor einem sechsgeschossigen Backsteinhaus, dessen Fassade mit Ruß bedeckt war. Die Wolkendecke hatte sich etwas gelichtet, aber es ging immer noch ein schneidend kalter Wind. Die Seitenstraße, in der Ephraim gewohnt hatte, war schmal und mit Schlaglöchern übersät. Zwischen den rissigen Gehsteigplatten hatte sich rötlicher, sandiger Matsch angesammelt. Neben dem Haus befand sich ein kleines unbebautes Grundstück, auf dem ein paar nackte Baumschösslinge Wurzeln geschlagen hatten und jede Menge Müll herumlag.
»Was ist denn das hier für eine Gegend?«, fragte Decker. »Arbeiterviertel?«
»Dieses hier schon. Sehr jüdisch, sehr religiös. Allerdings nicht die Gegend, in der seine Leute leben.« Novack zeigte mit dem Daumen in Gindis Richtung. »Stan ist Syrer. In Fiatbush leben eine Menge syrische Juden. Die haben alle diese merkwürdigen Namen - Zolta, Dweck, Pardo, Bada, Adjini.«
»In Fiatbush leben alle möglichen jüdischen Bevölkerungsgruppen. «
»Ja, aber die aus Syrien. die verstehen es zu leben, hab ich Recht?«
»Du sagst es, Mick!«
Novack warf einen Blick auf seine Uhr. »Junge, Junge, schon halb eins. Wo bleibt denn dieser Hausmeister?« »Ich hab einen Schlüssel«, verkündete Jonathan.
»Sie haben einen Schlüssel?«, wiederholte Novack. »Ja.«
»Würde es Ihnen was ausmachen aufzuschließen?«, fragte Gindi.
»Ist das in Ordnung?«, wandte Jonathan sich an Decker.
»Er hat alle erforderlichen Papiere, Jon. Du würdest die Sache nur etwas beschleunigen.«
»Dann werde ich aufschließen.«
Jonathan führte sie zum Aufzug, der fast ein wenig zu eng für alle war. Ruckelnd setzte er sich in Bewegung und fuhr im Schneckentempo nach oben. Ephraims Wohnung lag auf einem schlecht beleuchteten Flur, in dem es leicht nach Müll und Urin roch - Apartment Nummer vier. Am Türpfosten befand sich die erforderliche mesusa, die Schriftkapsel mit der Pergamentrolle. Als die Beamten ihre Handschuhe anzogen, holte auch Decker ein Päckchen mit Handschuhen, das das offizielle Siegel der Polizei von Los Angeles trug, aus seiner Jackentasche.
»Was haben Sie vor?«, fragte Novack. »Lieutenant hin oder her - Sie sind hier immer noch Gast. Und das bedeutet, dass Sie und der Rabbi nur zuschauen.«
»Ich hatte nicht vor, etwas anzufassen«, log Decker. »Ich bin einfach nur vorsichtig. Wir wollen doch nicht, dass wir versehentlich irgendwelche Spuren vernichten, oder? Also, dann mal los.«
»Ich hoffe doch sehr, dass Sie das auch ernst meinen«, sagte Novack.
»Sie sind sehr freundlich zu mir, Detective«, erwiderte Decker. »Das weiß ich zu schätzen.«
Novack zögerte einen Moment, nahm aber dann den Schlüssel, den Jonathan ihm hinhielt, und öffnete die Tür. Als Jonathan über die Türschwelle trat, streckte er reflexartig die Hand in Richtung mesusa aus, doch Decker hielt ihn zurück.
Novack hatte die Szene beobachtet und nickte Decker dankend zu. Ein paar Gummipunkte für den Zugereisten aus L.A.
Ephraim hatte in einer
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