Die Schwingen des Todes
ihnen ein paar Schritte entgegenkam. Decker sah, dass sie vor Angst immer stärker zu zittern begann, und ihre Beine kaum noch in der Lage waren, das Gewicht ihres Körpers zu tragen.
Decker blieb stehen. »Schon gut, es ist alles okay. Bleib, wo du bist.« Er musterte das Mädchen. Es schien sich um Shayndie zu handeln, aber da es so dunkel war und ihr Gesicht im Schatten lag, konnte er sich nicht sicher sein. Donatti blieb ebenfalls stehen, und sofort vergrub das Mädchen sein Gesicht in seiner Seite, kurz unterhalb der Achselhöhle.
»Sie fühlt sich offensichtlich wohl bei Ihnen«, sagte Decker.
»Was soll ich machen?«, antwortete Donatti. »Mein natürlicher Charme. Shayndie, beantworte einfach die Fragen dieses Mannes, und dann fahren wir zurück...«
»Er wird meinem Vater alles erzählen.«
»Ich werde deinem Vater gar nichts sagen«, antwortete Decker.
»Glauben Sie ihm nicht, Mr. Donatti. Er ist einer von denen.«
»Quatsch«, schnitt Chris ihr das Wort ab. »Die Juden sind ihm scheißegal. Er muss nur so tun, als wäre er einer von ihnen, sonst wird seine Frau wütend. Los jetzt, Shayndie. Mir ist kalt, und ich hab keine Lust, hier lange rumzustehen. Also bringen wir's hinter uns.« Er packte sie am Arm und schob sie von sich weg. Dann beugte er sich vor und schaute ihr in die Augen. Sofort schlug Shayndie die Hände vors Gesicht.
»Er wird dir nichts tun.« Donatti zog ihre Hände herunter. »Eigentlich ist er sogar ganz okay. Ich verspreche dir, dass er dir nichts tun wird. Und wenn er es versucht, lege ich ihn um, okay?« Eine Pistole tauchte aus dem Mantel auf. Es war eine große Waffe, wahrscheinlich eine Magnum. Donatti richtete sich auf und zielte damit auf Decker. »Siehst du? Ich hab eine Kanone, er nicht. Das bedeutet, wenn er irgendwas versucht, ist er tot.«
»Bitte - ich will nicht mit ihm reden.«
»Shayndie, beantworte seine Fragen, oder ich werde echt sauer. Ich bin müde, und ich will nach Hause. Tu's einfach, okay?«
Sie nickte, schlug aber dann wieder die Hände vors Gesicht.
»Und nimm die verdammten Hände runter! Los jetzt, Süße! Ich will dir doch nur helfen - aber du musst dich zusammenreißen.« Erneut beugte er sich zu ihr hinunter. »Komm schon, Shayndie«, sagte er mit leiser Stimme, »tu's für m ich.«
Sie antwortete nicht, aber Decker bemerkte, dass das Zittern langsam nachließ.
Donatti küsste ihre Stirn und strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Bitte, Süße. Du möchtest mich doch glücklich machen, oder?«
Sie nickte.
»Und das hier würde mich sehr glücklich machen. Tu's für mich - rede mit ihm, okay?« Sie nickte wieder.
»Ich weiß, dass du das schaffst. Du bist ein großes Mädchen.« Donatti küsste sie auf die Wange, richtete sich erneut auf und starrte Decker an. »Beeilen Sie sich, oder wir haben beide ein Problem.«
»Kannst du mir sagen, was mit deinem Onkel passiert ist, Shayndie?«
Sie murmelte etwas, das Decker nicht verstand. »Ich kann dich nicht verstehen.«
Chris seufzte ungehalten. Er beugte sich ein drittes Mal zu ihr hinunter. »Mach jetzt, Shayndie. Flüster's mir ins Ohr.«
Sie gehorchte. Donatti nickte, während sie in sein Ohr sprach. Dann sagte er: »Irgendwer hat ihn sich geschnappt, als sie beide auf dem Weg ins Museum waren. Sie konnte weglaufen.« Dann fragte er Shayndie: »Konntest du sehen, wer's war?«
»Männer«, murmelte sie.
»Wie viele?«, fragte Decker.
»Zwei... drei. Sie waren frum. Sie trugen kapatas.« »Lubawitsch?«, fragte Decker. Ein verneinendes Kopfschütteln. »Satmar?«
Erneut schüttelte sie den Kopf.
»Breslau.«
»Nein. Ich meine, ich weiß nicht. Sie trugen. schtreimel.« »Schtreimel? Mitten in der Woche?« Sie nickte bejahend.
»Und sie trugen seidene kapatas oder etwas in der Art?« Sie nickte.
»Können Sie mir das übersetzen?«, fragte Donatti.
»Die Männer, die ihren Onkel entführten, trugen die Kleidung der chassidischen Juden. Es gibt viele verschiedene chassidische Sekten. Die Liebers gehören einer dieser Sekten an, und ich versuche herauszufinden, ob einer der eigenen Leute Ephraim umgelegt hat. Sie glaubt, es könnte eine andere Sekte gewesen sein, weil die Männer mitten in der Woche Sabbatkleidung trugen. Ein schtreimel ist ein typischer breitrandiger Pelzhut, der nur am Sabbat und zu besonderen Gelegenheiten getragen wird.« Decker runzelte die Stirn. »Irgendwas stimmt da nicht, Donatti. Das Ganze klingt so, als ob jemand Modenschau gespielt
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