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Die Schwingen des Todes

Die Schwingen des Todes

Titel: Die Schwingen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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in einen Becher und strich sich Butter auf den Toast. »Wie war es gestern bei der Familie?«
    »Wie erwartet«, seufzte Rina. »Und bei dir?«
    »Wie erwartet.« Er wandte sich seiner Tochter zu. »Hallo, Hannah. Erinnerst du dich an mich? Ich bin der große Kerl, dein Vater.«
    Sie sah auf und lächelte. »Hallo, Papa.« »Hallo, Hannah. Ich hab dich lieb.«
    »Ich hab dich auch lieb.« Sie legte ihr Buch beiseite. »Wie findest du meinen Pulli?«
    »Schön.«
    »Eema hat ihn mir gekauft.« »Sie hat Geschmack.«
    »Heute spiele ich mit Leah Sora Estee Beryl. Eigentlich muss sie zur Schule, aber sie hat die Windpocken. Ich fürchte mich nicht davor, ich hab eine Spritze bekommen.«
    »Das ist gut.«
    »Ein Junge aus meiner Klasse, Kenny Talbot, der hat schon die Windpocken gehabt. Als er wieder kam, hat er ein Foto mitgebracht, wo er mit den ganzen Flecken im Gesicht drauf ist. Das war vielleicht eklig. Hoffentlich ist es bei Leah Sora Estee Beryl nicht so schlimm.«
    »Ist das eine Person? Leah Sarah...«
    »Sora«, korrigierte Hannah ihn.
    »Ist das ein Mädchen?«
    »Ja, ein Mädchen mit vielen Namen«, sagte Rina. »Bist du fertig. Chanalah?«
    Hannah nickte, stand auf und küsste ihren Vater auf die Wange. »Ich bin froh, dass ihr mir keine vier Namen gegeben habt. Die passen nicht auf die Matheblätter in der Schule.«
    Rina nahm ihre Tochter bei der Hand und half ihr, den Mantel anzuziehen. »Was sagst du zu dem Mantel?« »Wirklich hübsch.« »Dreißig Dollar.« »Das ist günstig.«
    »Das ist geschenkt! Geh du mal einkaufen! Komm, Schatz, lass deinen Vater in Ruhe frühstücken.«
    Emmanuel Lieber wohnte in einem einstöckigen Fachwerkhaus mit einer umlaufenden Veranda und Holzschindeldach. Der Rasen davor hatte durch den Winter gelitten, aber einige große Bäume trugen grüne Knospen, die den Frühling ankündigten. Ein gepflasteter Weg führte zu einer Eingangstür aus Eiche. Als Decker die drei Eingangsstufen hinaufstieg, hörte er, dass sich drinnen Leute unterhielten - es waren tiefe, dunkle Stimmen. Er blieb auf der Veranda stehen , schaute durchs Fenster und sah einen Haufen Männer in der schwarzen Kleidung der Chassidim. Aber er sah keine schtreimel. Das konnte von Bedeutung sein.
    Er wollte gerade den Türklopfer betätigen, als die Tür aufging und drei Chassidim mit gesenktem Blick herausstürmten. Sie hielten die Hände auf dem Rücken und eilten mit fliegenden Schläfenlocken an ihm vorbei.
    Decker ging hinein.
    Die Leute in dem dunklen stickigen Raum standen so eng beieinander, dass man sich kaum bewegen konnte. Schließlich wurde er nach vorn geschoben, zur trauernden Familie: drei Schwestern, ein Bruder und ein Vater, deren Gesichter von tiefer Trauer gezeichnet waren. Sie hockten auf Kissen am Boden. Mr. Lieber und Chaim trugen schwarze Hosen, schwarze Schuhe und weiße Hemden, die unter dem Kragen eingerissen waren: ein Zeichen der Trauer. Auf ihren Köpfen saßen große schwarze jarmulkas. Die drei Schwestern hatten dunkle Röcke und Blusen an, die ebenfalls am Kragen eingerissen waren. Zwei der drei Frauen trugen eine Perücke, Raisie hatte sich für ein Tuch entschieden.
    Jonathan stand neben ihm. Er führte Decker in eine Ecke und bot ihm Kaffee an.
    »Nein, danke.«
    »Limonade, Wasser?«
    »Nein, danke.«
    »Danke, dass du gekommen bist«, sagte Jonathan. »Und das, obwohl du bestimmt wenig Zeit hast.«
    »Es geht noch. Ich fliege erst heute Abend um neun.«
    »Oh...« Eine unangenehme Pause. »Ich dachte, du würdest schon heute Nachmittag abreisen.«
    Decker sah seinen Halbbruder an. »Heute Abend.«
    Jonathan nickte. »Gut. Ich meine: nicht gut. Ich. du wirst s icher froh sein, von hier fortzukommen.«
    »Du siehst angespannt aus, Jon. Ist was nicht in Ordnung?«
    Jonathan zögerte. »Nein, es ist nur. Was soll ich sagen, Akiva? Was soll ich sagen?«
    »Du sollst mir sagen, was du denkst.«
    »Ich. ich muss. immerzu an Shayndie denken.«
    Decker fühlte sich schuldig. »Es ist furchtbar.«
    Jonathan nickte, hatte aber nichts hinzuzufügen. Sein Blick wanderte über die Menschen hinweg und blieb an Chaims Gesicht hängen Die beiden sahen sich in die Augen, bis Chaim wegschaute.
    Jonathan sagte: »Ich möchte dich meinem Schwiegervater vorstellen.«
    »Ach, lass nur.«
    »Doch, doch. Ich bestehe darauf.«
    Obwohl Decker Jonathan nicht besonders gut kannte, spürte er, wenn jemand verunsichert war - und in diesem Fall war sein Gegenüber mehr als nur das. Decker hätte schwören

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