Die Séance
ernst. Sie saßen auf den Sofas im Wohnzimmer, zwei moderne helle Modelle aus Leder, rechtwinklig vor dem Kamin platziert. Mike konnte den Gedanken nicht abschütteln, dass dieser Cop jeden Augenblick aufstehen würde, Zimmer für Zimmer durch das Apartment gehen, es – und ihn – auseinandernehmen.
Stattdessen stand Dwyer einfach auf und sagte: “Ich danke Ihnen.”
“Sie danken mir?”
“Das wär’s, jedenfalls für den Augenblick.”
Mike erhob sich ebenfalls und starrte Dwyer an. Schluckte heftig. “Sie rufen an, wenn … Sie Angela finden?”
Dwyer starrte zurück. “Selbstverständlich. Und denken Sie bitte noch mal genau nach. Man weiß ja nie … vielleicht fällt Ihnen etwas ein, das uns weiterhelfen kann.”
“Natürlich.”
Mike brachte Dwyer zur Tür. Er hörte sein Herz hämmern, und das Einzige, woran er denken konnte, war diese alte Geschichte von Edgar Allan Poe – “Das verräterische Herz”.
Er schwitzte sturzbachartig.
Er bekam keine Luft mehr.
Und sein Herz schlug so laut, dass man es auf dem Mars noch hören musste.
“Gute Nacht, und nochmals vielen Dank, Mr. McDuff.”
“Keine Ursache, Detective Dwyer.”
Als er die Tür hinter dem Polizisten schloss, fürchtete Mike, er müsse gleich einen Notarztwagen rufen; er bekam praktisch keine Luft mehr.
“Hey, tretet nicht die Tür ein!”, rief Dan verärgert. Eine Sekunde später öffnete er sie selbst. Sein rotes Haar war zerwühlt, er trug einen grauen Trainingsanzug, er war barfuß. Er starrte verwirrt auf die Gruppe vor seiner Tür – zu der jetzt auch Ana gehörte, die erklärt hatte, sie wäre viel zu verängstigt, um allein zu Hause zu bleiben.
“Droht ihr mir Saures an, wenn ich euch nichts Süßes gebe? Hat jemand eine Bombe gezündet? Was zum Teufel ist los?”, wollte er wissen.
“Können wir reinkommen?”, sagte Christina.
Er trat von der Tür zurück, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. “Klar, wieso nicht? Ihr wisst aber schon, wie spät es ist, oder?”
“Dan”, sagte Christina und führte die anderen hinein. “Angie wird vermisst.”
Er sah sie verständnislos an, dann wiederholte er: “Angie … wird vermisst?”
“Ja.”
Dan wirkte wirklich schockiert und verwirrt, dachte Jed. Aber wieso auch nicht? Er war schließlich Schauspieler.
Immer noch nicht ganz auf der Höhe, sagte Dan: “Aber sie hat Mike doch schon vor Jahren verlassen, oder? Ihn gefühlsmäßig durch die Mangel gedreht und dann im Regen stehen lassen?”
“Genau das ist der Punkt, Dan”, sagte Jed.
Dan wirkte sogar noch verwirrter. “Ich soll mir wegen einer Frau Sorgen machen, die eine ziemliche Schlampe ist und alles versucht hat, um meinen Bruder zu ruinieren?”
“Ja, eine ziemliche Schlampe, die außerdem rote Haare hat und vermisst wird!”, explodierte Ana.
“Dan”, erklärte Adam Harrison geduldig, “die Polizei hat Ihren Bruder wegen des Verschwindens seiner Exfrau wahrscheinlich schon befragt. Sie wollte sich letzten Abend mit Freunden zum Essen treffen, ist aber dort nicht aufgetaucht. Die Freunde haben die Polizei gerufen, und weil es sich um eine attraktive Rothaarige handelt, nimmt die Polizei ihr Verschwinden sehr ernst.”
Dans Kiefer klappte herunter, als ob ihm plötzlich der Ernst der Lage klar geworden wäre. “Oh mein Gott!”, stieß er hervor. “Ich rufe sofort Mike an.”
Er ging zum Telefon, Christina sah Jed an. Sie blickte irgendwie naserümpfend drein, aber als sie sich umdrehte, wurde ihm klar, dass sie die Wohnung durchsuchen wollte.
“Mike?”, sagte Dan besorgt ins Telefon; er hatte entweder nicht bemerkt, was Christina vorhatte, oder es war ihm egal.
Während Mike am anderen Ende etwas sagte, fiepte Jeds Handy. Er wusste, das musste Jerry Dwyer sein, und es verschaffte ihm keine Befriedigung, dass er damit recht hatte.
“Kannst du sofort kommen?”
“Sicher. Wohin?”
“O’Reilly’s?”, sagte Jerry trocken. “Wohin sonst?”
“Ein bisschen Zeit brauch ich noch.”
“Komm so schnell du kannst. Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit sie noch hat”, sagte Jerry düster.
Christina setzte sich neben Dan auf die Couch, ihre Finger in die seinen verschränkt. Ana saß auf seiner anderen Seite. Alle anderen hatten sich im Zimmer verteilt, und alles schien in Ordnung zu sein.
Jed war inzwischen verschwunden, ohne ein Wort darüber zu verlieren, wohin er wollte. Sie hatte allerdings das Gefühl, es hätte etwas mit Angies Verschwinden zu tun, und sie war wütend auf
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