Die Séance
“Ich glaube wirklich nicht, dass Beau es gewesen ist.”
“Bei einer Sache hast du jedenfalls geholfen”, sagte Jerry zu Jed.
“So?”
“Wir haben heute alle Welt noch einmal verhört, und mit einer Sache hattest du recht”, sagte Jerry.
“Und welche war das?”
“Dieser Laden hier.” Jerry senkte die Stimme. “Alle Opfer – die von damals, die von heute – waren Gäste im O’Reilly’s.”
“Also habt ihr mit jedem geredet, der hier arbeitet?”, fragte Jed.
“Na klar.”
“Und?”
Jerry zuckte die Achseln.
“Wer immer sich diese Frauen schnappt, er hat sie zuerst hier gesehen, dann ist er ihnen von hier aus gefolgt, um ihre Gewohnheiten kennenzulernen”, murmelte Jed.
Jerry beugte sich zu ihm vor. “Angela McDuff wurde zum letzten Mal gesehen, als sie aus dem Frisiersalon kam, gleich hinter dem Parkplatz dort drüben.”
Jed blickte durch die großen Glasfenster. Der Parkplatz war riesig, viele Straßenlaternen, aber auch jede Menge dunkler Schatten.
Jerry zeigte mit dem Finger. “Ihr Wagen ist gleich da drüben gefunden worden. Sie hat den Salon mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht verlassen. Und dann ist sie verschwunden. Niemand hat irgendwas bemerkt.”
“In der Shopping-Mall und auf dem Parkplatz müssen doch allerhand Leute gewesen sein”, dachte Jed laut nach, die Umgebung musternd.
“Vielleicht”, sagte Mal. “Aber keiner hat etwas beobachtet. Sie verschwand, und es muss jemand gewesen sein, dem sie entweder vertraute oder den sie kannte, denn geschrien hat sie nicht, das hätte jemand gehört. Sie wusste, da ist ein Serienmörder unterwegs, der hinter Frauen genau wie ihr her ist, und trotzdem ist sie in einen Wagen gestiegen und hat nicht geschrien.”
“Und was zum Teufel verrät dir das, was wir nicht von Anfang an wussten?”, wollte Jed wissen. “Die Frauen werden von jemandem entführt, dem sie vertrauen.”
“Oder den sie kennen”, fügte Jerry hinzu.
“Wie auch immer, jemand, der ihnen nicht gefährlich vorkommt”, sagte Jed.
Was zur Hölle sollten diese Überlegungen bringen?, fragte Jed sich selbst. Adam Harrison behauptete – auf der Grundlage einer Geistererscheinung –, dass der Mörder in Christinas Haus gewesen sei. In der ersten Nacht … als sie mit dem Ouija-Brett gespielt haben. Und während der Séance auch? Das hieß, Mike, Dan oder Tony Lowell. Oder er selbst. Oder eine der Frauen.
“Was soll ich heute Nacht überhaupt hier? Wieso habt ihr mich herbestellt?”, fragte er die beiden Cops.
“Eine Warnung, aus Anstand”, teilte Mal O’Donnell ihm todernst mit. “Wir glauben, dass wir endlich einen richtigen Verdächtigen haben.”
“Mike McDuff”, sagte Jerry.
“Du hast ihn doch vorhin verhört, oder nicht?”, fragte Jed.
“Ich habe mich mit ihm bei ihm zu Hause unterhalten”, gab Jerry zu.
“Warum habt ihr ihn nicht aufs Revier gebracht?”
“Weil seine Exfrau irgendwo versteckt ist. Hoffentlich in diesem Augenblick noch lebendig. Wir werden ihn beobachten. Also, wenn du irgendwas weißt …”
Jed fluchte vor Abscheu und glitt von dem Barhocker. “Glaubt ihr wirklich, ich würde es euch nicht erzählen, wenn ich wüsste, wer der Mörder ist?”
“Gute Nacht, Jed”, sagte Jerry.
“Genau. Gute Nacht.” Arschlöcher!, fügte er im Geiste hinzu, als er hinausging.
Andererseits … waren seine Gedanken vorhin nicht in genau dieselbe Richtung gegangen? Und darüber hatte er kein Wort verloren.
Und was Beau Kidd anging … Wollte er vielleicht nur deshalb die Unschuld dieses Mannes beweisen, weil dessen Familie endlich Frieden verdient hatte?
Adam, Genevieve und Thor waren zu Bett gegangen. Das Haus war totenstill. Christina stand in ihrem Schlafzimmer am Fenster und blickte hinaus auf den Rasen.
Sie fühlte sich wie in Watte gepackt. Sie glaubte an Adam Harrison, und an ihre gute Freundin Genevieve, und an Thor. Sie glaubte sogar an den Geist von Beau Kidd. Und jetzt …
Und jetzt war sie völlig erschöpft, aber sie wartete, dachte – hoffte –, dass Beau Kidd wieder erscheinen würde.
Aber das tat er nicht.
Während sie da so stand, sah sie Jed mit dem Wagen ankommen und einparken. Er stieg allerdings nicht aus, blieb sitzen und starrte das Haus an.
Hatte sie auf Beau gewartet? Oder auf Jed?
Sie ging nach unten, öffnete die Haustür und winkte ihn herein.
“Ich dachte, du würdest schlafen”, sagte er.
Eine logische Annahme, wenn man bedachte, dass es schon … wie spät war? Drei oder
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