Die See Der Abenteuer
anderes einfiel. Sie befanden sich nun ganz in der Nähe der unterirdischen Höhle. Vorsicht, Herr Stentzlein!
Lucy begann unruhig zu werden. Wenn dieses Stelzbein nun nicht in das Loch fiel, nach dem Jack ihm ein Bein gestellt hatte? Wenn er sich statt dessen auf Jack stürzte? Womöglich hatte er einen Revolver bei sich! Er sah zwar nicht gerade verwegen aus, aber man konnte ja nicht wissen. Lucy warf einen verstohlenen Blick auf die Taschen seiner kurzen Hosen. Zeichnete sich da etwa die Form eines Revolvers ab?
Aber die Taschen des Mannes waren mit allerlei Dingen so vollgestopft, daß man nichts erkennen konnte.
Jack stieß seine Schwester an. »Geh mal aus dem Weg!«
flüsterte er ihr zu. Mit wild klopfendem Herzen blieb Lucy ein wenig zurück.
Jack und Stentzlein waren an dem Eingang zur Höhle angekommen. Die Kinder hatten ihn wie gewöhnlich mit einem Stock gekennzeichnet, um ihn leicht wiederfinden zu können.
Durch seine dunkle Brille spähend, stelzte Theobald vorwärts. Da stellte Jack ihm plötzlich ein Bein und gab ihm gleichzeitig einen kräftigen Stoß. Der vollkommen überrumpelte Mann verlor das Gleichgewicht und stürzte hin. Er war direkt neben das Loch gefallen. Bevor er auch nur den Versuch machen konnte, aufzustehen, hatte Jack ihm einen Schubs gegeben — und bums! verschwand er in der Höhle.
Jack hatte sich mit einem dicken Stock bewaffnet. Er bog das Heidekraut auseinander und spähte hinunter. In dem trüben Licht erblickte er Theobald Stentzlein, der sich stöhnend aufrichtete.
»Du unverschämter Bengel!« rief er böse, als er Jacks Gesicht sah. »Was soll das bedeuten?« Bei dem Sturz hatte er die Brille verloren. Seine Augen sahen durchaus nicht wild aus, sondern eher verträumt und ein wenig wäßrig. Mit schmerzverzogener Miene hielt er sich den Kopf.
»Entschuldigen Sie«, sagte Jack bedauernd. »Aber ich mußte es tun. Einer von uns mußte dran glauben. Sie brauchen uns nichts weiter vorzumachen. Wir wissen genau, zu welcher Bande Sie gehören.«
»Was redest du da für Unsinn?« Stentzlein erhob sich und steckte den Kopf aus dem Loch.
Sofort hob Jack seinen Stock. »Zurück!« rief er drohend.
»Sie sind gefangen. Sie haben doch Bill geschnappt, nicht wahr? Nun haben wir Sie dafür geschnappt. Wenn Sie auch nur den kleinsten Versuch machen, aus dem Loch zu klettern, werde ich Sie mit diesem Stock auf den Kopf hauen.«
Hastig zog Theobald seinen Kopf zurück. Lucy war blaß geworden. »O Jack, hat er sich auch nicht weh getan? Du willst ihn doch nicht wirklich schlagen?«
»Natürlich! Denk doch nur an Bill, Lucy! Und an den armen ‘Glücksstern’! Und schließlich ist dieser Bursche auch schuld daran, daß wir hier auf der Insel festsitzen.
Wenn wir ihn wieder zu seinem Boot zurücklassen, wird er noch mehr Männer herholen, und sie werden uns so lange verfolgen, bis sie uns gekriegt haben. Wir dürfen jetzt nicht weich werden.«
»Na ja — aber ich möchte trotzdem nicht, daß du ihn schlägst. Dina würde das vielleicht nichts ausmachen, aber ich bin eben nicht so wie Dina.«
»Hört einmal!« schrie Theobald aus dem Loch. »Wollt ihr mir wohl endlich erklären, was das alles zu bedeuten hat?
Das ist ja unerhört! Ich komme mit ganz friedlichen Ab-sichten auf eine Vogelinsel — das ist ja schließlich kein Verbrechen —, und ihr beiden Gören lockt mich hierher, stellt mir ein Bein und schubst mich dann in diese Höhle.
Ich bin böse zerschunden. Und nun wollt ihr mich sogar noch schlagen, falls ich mich herauswagen sollte. Ihr seid ja ein paar gefährliche kleine Kröten!«
»Es tut mir wirklich leid«, wiederholte Jack noch einmal.
»Aber wir hatten keine andere Wahl, das müssen Sie doch einsehen. Unser Boot ist fort — Bill ist verschwunden —, da mußten wir uns eben ein anderes Boot besorgen. Wir können doch nicht unser ganzes Leben auf dieser Insel zubringen.«
Theobald war so erstaunt und aufgebracht über Jacks Worte, daß er aufsprang, sich beim Anblick des Stockes jedoch rasch wieder hinsetzte. »Du willst doch nicht sagen — ihr wollt mir doch nicht etwa mein Boot fortnehmen?
So eine bodenlose Frechheit! Wartet nur, das erzähle ich euren Eltern! Dann wird es tüchtig Prügel setzen.«
Theobald gefällt die Insel nicht
»Kannst du die anderen irgendwo sehen?« fragte Jack seine Schwester. »Philipp wird wahrscheinlich im Boot sein, um notfalls gleich starten zu können. Aber Dina steht sicher irgendwo Posten und wartet auf ein
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