Die See des Schicksaals
Umständen hätte Elric vielleicht einen weiten Bogen um das Lager gemacht, doch er war so froh, auf Menschen zu stoßen, daß er die unerklärlichen Aspekte dieser Gruppe ignorierte; dennoch gab er sich zunächst damit zufrieden, sie zu beobachten.
Einer der Männer - von weniger unangenehmer Erscheinung als die anderen - war ein massiger, kahlköpfiger Seesoldat mit schwarzem Bart. Er trug das weite Leder- und Seidengewand der Völker der Purpurnen Städte. Als dieser Mann ein großes melniboneisches Goldrad hervorzog - eine Münze, die nicht wie die meisten anderen geprägt, sondern von Künstlern gearbeitet wurde, mit einer Darstellung, die sehr alt und kompliziert war - siegte Elrics Neugier über seine Vorsicht.
In Melnibone gab es nur noch wenige Exemplare dieser Münze, und soweit Elric wußte, existierten sie außerhalb überhaupt nicht mehr; die Münzen wurden im Handel mit den Jungen Königreichen nicht verwendet. Sie galten als sehr wertvoll und wurden gesammelt, besonders vom melniboneischen Adel.
Elric nahm an, daß der Kahlköpfige die Münze nur von einem anderen melniboneischen Reisenden haben konnte - dabei wußte Elric von keinem anderen Melniboneer, der seine Neigung zum Reisen teilte. Er warf die Vorsicht über Bord und trat vor.
Wäre er nicht von dem Gedanken an das melniboneische Rad besessen gewesen, hätte er vielleicht zufrieden registriert, mit welch überstürzter Eile die Männer zu den Waffen griffen. In Sekundenschnelle war die Mehrzahl der Kämpfer aufgesprungen und hatte die Klinge erhoben.
Einen Augenblick lang war das Goldrad vergessen. Eine Hand auf den Knauf des Runenschwerts gelegt, hob Elric die andere beruhigend.
»Verzeiht die Störung, ihr Herren. Ich bin nur ein müder Soldat, der zu euch stoßen möchte. Ich erbitte Information und möchte auch etwas zu essen erwerben, wenn ihr Nahrung erübrigen könnt.«
Stehend boten die Krieger einen noch wilderen Anblick. Sie grinsten sich an, offenbar fanden sie Elrics Höflichkeit lustig, ohne davon beeindruckt zu sein.
Ein Mann mit dem gefiederten Helm eines Pan Tangischen Meereshäuptlings - mit entsprechend düsterem Gesicht - reckte den langen Hals und sagte spöttisch:
»Wir haben genug Leute in unserer Gruppe, Bleichgesicht. Und nur wenige haben etwas für die Menschen-Dämonen aus Melnibone übrig. Du mußt reich sein.«
Elric dachte an die Feindseligkeit, mit der die Melniboneer in den Jungen Königreichen behandelt wurden, besonders von den Einwohnern Pan Tangs, das die Dracheninsel um ihre Macht und Klugheit beneidete und in letzter Zeit begonnen hatte, Melnibone auf primitive Weise nachzuahmen.
Elric war auf der Hut, als er leise sagte: » Ich habe ein wenig Geld.«
»Dann nehmen wir es uns, Dämon.« Der Pan Tangier hielt Elric eine schmutzige Hand unter die Nase und knurrte: »Her damit, und verschwinde!«
Elrics Lächeln war höflich und ein wenig gequält, als hätte man ihm einen schlechten Witz erzählt.
Der Pan Tangier hielt den Witz offenbar für besser, denn er lachte herzlich und wandte sich beifallheischend an die nächststehenden Kameraden.
Lautes Gelächter hallte durch die Nacht, und nur der kahlköpfige Mann mit dem schwarzen Bart machte den Spaß nicht mit. Während die anderen vorrückten, trat er einige Schritte zurück. - Das Gesicht des Pan Tangiers war nun dicht vor Elric; sein Atem stank, und Elric sah, daß sich in seinem Bart und Haupthaar Läuse tummelten. Trotzdem beherrschte er sich und anwortete im gleichen ruhigen Ton:
»Gib mir etwas Anständiges zu essen, eine Flasche Wasser, vielleicht auch etwas Wein, wenn ihr welchen habt - dann gebe ich euch gern das Geld, das ich habe.«
Wieder brandete Gelächter auf. Elric sprach weiter:
»Aber wenn ihr mir das Geld nehmt und mir nichts dafür gebt - dann muß ich mich verteidigen.
Ich habe ein gutes Schwert.«
Der Pan Tangier versuchte Elrics ironischen Ton nachzuahmen. »Dir entgeht sicher nicht, Herr Dämon, daß wir dir zahlenmäßig überlegen sind. Sehr sogar.«
Der Albino antwortete leise: »Die Tatsache ist mir durchaus aufgefallen, aber sie stört mich nicht.« Und noch ehe das letzte Wort über seine Lippen war, hatte er das Schwert gezogen, denn die Männer stürzten sich nun auf ihn.
Der Pan Tangier starb als erster, mit durchtrennter Wirbelsäule, und Sturmbringer, der seine erste Seele genommen hatte, begann zu singen. Als nächster starb ein Chalaliter; er sprang mit erhobenem Wurfspieß direkt auf die Spitze des
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