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Die See des Schicksaals

Die See des Schicksaals

Titel: Die See des Schicksaals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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nachrief. Die Worte gingen im Nebel unter, so daß er nie erfahren würde, ob die letzte Äußerung des blinden Mannes eine Warnung oder nur eine höfliche Bemerkung zum Abschied gewesen war. Es war ihm auch gleichgültig. Das Boot glitt weich durch das Wasser; der Nebel begann dünner zu werden, doch gleichzeitig schwächte sich das Licht ab.
    Plötzlich befand er sich unter einem dämmerigen Himmel; die Sonne war bereits untergegangen, erste Sterne tauchten auf. Ehe er die Küste erreicht hatte, war es völlig dunkel geworden, der Mond war noch nicht aufgegangen. Es kostete Elric große Mühe, das Boot auf einem Untergrund anzulanden, der ihm wie flaches Gestein vorkam. Schließlich stolperte er landeinwärts, bis er sich vor jeder möglichen Flut sicher wähnte.
    Seufzend legte er sich schließlich nieder mit der Absicht, seine Gedanken ein wenig zu ordnen, ehe er weiterwanderte; doch fast sofort schlief er ein.

2
    Elric träumte.
    Er träumte nicht nur vom Ende seiner Welt, sondern von dem Ende eines gesamten Zyklus in der Geschichte des Kosmos. Er träumte, er sei nicht nur Elric von Melnibone, sondern gleichzeitig auch andere Männer - Männer, die sich einem vagen Ziel verschrieben hatten, das sie selbst nicht erklären konnten. Weiter träumte ihm, er habe von dem Schwarzen Schiff und Tanelorn und A-gak und Gagak geträumt, während er irgendwo außerhalb der Grenzen Pikarayds an einer Küste lag; und als er erwachte, lächelte er sarkastisch und beglückwünschte sich zu seiner großartigen Phantasie. Doch die Eindrücke, die dieser Traum hinterlassen hatte, ließen sich nicht völlig abschütteln.
    Diese Küste war nicht die aus dem Traum, also war wirklich etwas mit ihm geschehen - vielleicht hatten Sklavenhändler ihn eingeschläfert und später liegenlassen, als sie feststellten, daß er ihren Erwartungen nicht entsprach. Aber nein, diese Erklärung konnte nicht stimmen. Wenn er erst einmal wußte, wo er sich befand, fiel ihm bestimmt auch die Wahrheit ein.
    Jedenfalls herrschte Morgendämmerung. Elric richtete sich auf und blickte in die Runde. Er lag auf einer dunklen, vom Meer bespülten Kalkfläche, die an hundert Stellen aufgeplatzt war, mit Rissen, die so tief klafften, daß die kleinen Ströme schäumenden Wassers, die sich durch die zahlreichen engen Kanäle ergossen, einen ansonsten stillen Morgen mit unangenehmen Geräuschen füllten.
    Elric stand auf, wobei er sich auf dem in der Scheide steckenden Runenschwert abstützte. Seine weißen Lider schlossen sich einen Augenblick lang über den roten Augen, während er sich wieder einmal an die Ereignisse zu erinnern versuchte, die ihn hierhergeführt hatten.
    Eine klare Erinnerung hatte er an seine Flucht aus Pikararayd - an seine Panik, an das eintretende Koma der Hoffnungslosigkeit, an die Träume. Da er offensichtlich weder tot noch gefangen war, ließ sich zumindest vermuten, daß seine Verfolger die Jagd endlich aufgegeben hatten, denn wäre er gefunden worden, hätten sie ihn bestimmt umgebracht.
    Er öffnete die Augen, blickte sich um und registrierte den Blaustich des Lichts (zweifellos eine Verfärbung der Sonne hinter den grauen Wolken), ein Licht, das der Landschaft einen gespenstischen Anstrich verlieh und das Meer matt und metallisch schimmern ließ.
    Die Kalkformationen, die sich terrassenförmig aus dem Meer erhoben und hoch über ihm aufragten, schimmerten stellenweise wie poliertes Blei. Einem Impuls folgend hielt er seine Hand ins Licht und betrachtete sie. Auf dem normalerweise glanzlosen Weiß seiner Haut lag ein leicht bläulicher Schimmer. Den Effekt fand er ganz angenehm und lächelte unschuldigstaunend, wie ein Kind.
    Er hatte damit gerechnet, müde zu sein; doch plötzlich merkte er, daß er sich ungewöhnlich frisch fühlte, als habe er nach einer reichhaltigen Mahlzeit lange geschlafen. Er beschloß, diesem glückhaften (und unwahrscheinlichen) Geschenk nicht lange auf den Grund zu gehen; vielmehr wollte er die Klippen ersteigen in der Hoffnung, sich ein wenig orientieren zu können, ehe er die Richtung festlegte, in der er losmarschieren wollte.
    Kalkstein konnte gefährlich sein, andererseits ließ er sich leicht erklettern, denn es fanden sich immer wieder Stellen, wo eine Abstufung in die andere überging.
    Er bewältigte den Hang vorsichtig und in gleichmäßigem Tempo, er fand viele günstige Vorsprünge für seine Füße und schien auf diese Weise sehr schnell voranzukommen; trotzdem war es Mittag, als er die

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