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Die See des Schicksaals

Die See des Schicksaals

Titel: Die See des Schicksaals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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sahen nicht wenige treibende Körper wie Reptilien aus und die bleichen Echsenbäuche verströmten etwas anderes als Blut.
    »Wenn das meine Zukunft ist«, wandte sich Elric an den Kapitän, »möchte ich doch lieber an Bord bleiben.«
    »Auf dich wartet eine Verantwortung - wie auf mich«, sagte der Kapitän leise. »Der Zukunft muß gedient werden, so wie der Vergangenheit und der Gegenwart.«
    Elric schüttelte den Kopf. »Ich bin der Verantwortung eines ganzen Reiches entflohen, weil ich die Freiheit suchte«, sagte der Albino. »Und diese Freiheit muß ich verwirklichen.«
    »Nein«, brummte der Kapitän. »So etwas gibt es nicht. Noch nicht. Nicht für uns. Wir müssen noch viel mehr durchmachen, ehe wir auch nur ahnen, was Freiheit bedeutet. Der Preis für diese Erkenntnis allein ist wahrscheinlich höher als irgend etwas, das du in dieser Phase deines Lebens zu zahlen gewillt warst. Oft ist sogar das Leben selbst der Preis.«
    »Indem ich Melnibone verließ, suchte ich außerdem von der Metaphysik loszukommen«, fuhr Elric fort. »Ich hole meine Sachen und nehme das Land, das mir hier geboten wird. Wenn ich Glück habe, ist das Rote Tor schnell gefunden, dann erlebe ich wenigsten Gefahren und Qualen, die mir bekannt sind.«
    »Eine andere Entscheidung hättest du nicht fällen können.« Der Kapitän wandte Blendker das blinde Gesicht zu. »Und du, Otto Blendker? Was wirst du tun?«
    »Elrics Welt ist nicht die meine, und das Geschrei da vorn gefällt mir nicht. Was kannst du mir versprechen, Herr, wenn ich weiter mit dir fahre?«
    »Nichts als einen angenehmen Tod.« In der Stimme des Kapitäns schwang Bedauern. »Der Tod ist das Versprechen, mit dem wir alle geboren werden, Herr. Ein angenehmer Tod ist besser als ein unangenehmer. Ich bleibe an Bord.«
    »Wie du willst. Ich glaube, du hast klug gewählt.« Der Kapitän seufzte. »Dann sage ich dir jetzt Lebwohl, Elric aus Melnibone. Du hast in meinen Diensten gut gekämpft, und ich danke dir.«
    »Aber wofür gekämpft?« fragte Elric.
    »Oh, nenn es die Menschheit. Oder das Schicksal. Oder einen Traum. Oder ein Ideal, wenn du

    willst.«
    »Werde ich jemals eine klare Antwort erhalten?«
    »Nicht von mir. Ich glaube nicht, daß es eine solche Antwort überhaupt gibt.«
    »Du gibst einem wenig Vertrauen mit auf den Weg.« Elric begann die Decks treppe hinabzusteigen.
    »Es gibt zwei Arten von Vertrauen, Elric. Wie bei der Freiheit, gibt es eine Art, die leicht zu erringen ist, die sich aber im Grunde nicht lohnt; dann die Art, die mühsam erkämpft wird. Du hast recht, von der ersteren biete ich dir wenig.«
    Elric ging zu seiner Kabine. In diesem Augenblick empfand er eine tiefe Zuneigung zu dem blinden Kapitän. »Ich hatte mich für einen Könner in solchen doppeldeutigen Äußerungen gehalten, doch in dir, Kapitän, habe ich meinen Meister gefunden.«
    Er bemerkte, daß der Steuermann seinen Posten am Rad verlassen hatte und ein Boot in seinen Davits über die Bordwand schwenkte, bereit zum Hinablassen.
    »Ist das für mich?«
    Der Steuermann nickte.
    Elric betrat geduckt seine Kabine. Er würde das Schiff mit den Dingen verlassen, die er auch an Bord gebracht hatte, nur waren seine Kleidung und seine Rüstung in schlechterer Verfassung als zuvor, und sein Verstand war erheblich verwirrter.
    Zögernd suchte er seine Sachen zusammen, warf sich den schweren Mantel um, streifte die Handschuhe über, schloß Schnallen und Haken. Schließlich verließ er die Kabine und kehrte an Deck zurück. Der Kapitän deutete durch den Nebel auf die dunklen Umrisse einer Küste. »Kannst du Land sehen, Elric?«
    »Ja.«
    »Dann mußt du schnell machen.«
    »Gern.«
    Elric stieg über die Reling in das Boot. Das Boot prallte mehrmals gegen die Bordwand des Schiffes, dessen Hülle wie eine riesige Begräbnistrommel dröhnte. Ansonsten herrschte Stille über dem nebligen Meer. Trümmerstücke waren nicht mehr zu sehen.
    Blendker grüßte ihn. »Ich wünsche dir viel Glück, Kamerad.«
    »Ich dir auch, Herr Blendker.«
    Das Boot begann sich der ruhigen See zu nähern; die Rollen der Davits quietschten. Elric klammerte sich am Seil fest und ließ los, als das Boot ins Wasser klatschte. Er taumelte, setzte sich ungeschickt auf das Querbrett und machte die Taue los, so daß das Boot sofort vom Schwarzen Schiff wegtrieb. Er ergriff die Ruder und legte sie in die Dollen.
    Er begann auf die Küste zuzurudern und hörte plötzlich noch einmal die Stimme des Kapitäns, der ihm etwas

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