Die See des Schicksaals
Seeleute an Deck, um sich dem Angriff entgegenzuwerfen. Von allen Seiten gingen die Knüppel auf Elric los, doch Sturmbringer kreischte schrill und parierte jeden Hieb. Elric schwang das Schwert mit beiden Händen, ließ es hierhin und dorthin zucken und pflügte tiefe Wunden in die schuppigen Körper.
Die Geschöpfe fauchten und öffneten rote Mäuler vor Schmerz und Zorn, während ihr dickes schwarzes Blut in den Fluß quoll. Obwohl sie von den Beinen aufwärts nicht viel größer waren als ein gut gebauter Mann, besaßen sie doch mehr Lebenskraft; die tiefsten Schnitte und Stiche schienen ihnen kaum etwas auszumachen, selbst wenn sie von Sturmbringer kamen. Elric war erstaunt über solche Widerstandskraft gegenüber seinem Schwert. Oft genügte ein bloßer Kratzer, und das Schwert konnte dem Verwundeten die Seele aus dem Leib ziehen. Diese Geschöpfe aber schienen immun zu sein. Vielleicht hatten sie überhaupt keine Seelen.
Der Haß verlieh ihm Kraft, und er wütete weiter.
Doch ansonsten kämpften die Seeleute auf verlorenem Posten. Stücke der Reling wurden abgerissen, und die mächtigen Knüppel zerschmetterten Planken und holten noch mehr Takelage herunter. Die Wilden wollten nicht nur die Besatzung vernichten, sondern das ganze Schiff zerschmettern. Und es konnte kaum noch ein Zweifel daran bestehen, daß sie Erfolg haben würden.
Avan rief Elric zu: »Bei den Namen aller Götter, Prinz Elric, kannst du uns nicht Zauberei zu Hilfe rufen? Sonst sind wir verloren!«
Elric wußte, daß Avan die Wahrheit sprach. Ringsum wurde das Schiff von den zischenden Reptilwesen auseinandergenommen. Die meisten hatten schreckliche Wunden davongetragen, doch nur ein oder zwei waren bisher zusammengebrochen. Elric begann zu vermuten, daß sie es hier mit übernatürlichen Gegnern zu tun hatten.
Er trat zurück, suchte Schutz hinter einer halb eingedrückten Tür und versuchte sich auf einen magischen Hilferuf zu besinnen.
Er keuchte vor Erschöpfung und klammerte sich an einem Balken fest, während das Schiff im Wasser hin und her ruckte. Er versuchte sich zu konzentrieren. Plötzlich fiel ihm die Beschwörung ein. Er wußte nicht, ob sie paßte, doch es war die einzige, die ihm im Augenblick in den Sinn kommen wollte. Vor vielen tausend Jahren hatten seine Vorfahren mit allen Elementarwesen der Tierwelt Bündnisse geschlossen. Schon mehrfach hatte er sich der Hilfe solcher Geister versichert, doch noch nie hatte er den angesprochen, den er jetzt um Hilfe bitten wollte. Über seine Lippen kamen die wunderschönen und komplizierten Worte der alten Hochsprache Melnibones.
»König mit Flügeln! Herr aller, die da arbeiten und nicht gesehen werden, von deren Mühen alles andere abhängt! Nnuuurrrr'c'c des Insektenvolks, ich rufe dich!«
Bis auf die Bewegung des Schiffes nahm Elric seine Umgebung nicht mehr wahr. Die Kampfgeräusche wurden leiser und verklangen, während er seine Stimme aus der Ebene der Erde in eine andere schickte - in die Ebene, die von König Nnuuurrrr'c'c der Insekten beherrscht wurde, dem obersten Herrn seines Volkes.
In Elrics Ohren erklang plötzlich ein Summen, und allmählich formte sich dieses Summen zu Worten.
»Wer seid Ihr, Sterblicher? Welches Recht habt Ihr, mich zu rufen?«
»Ich bin Elric, Herrscher von Melnibone. Meine Vorfahren haben Euch einmal geholfen, Nnuuurrrr'c'c.«
»Aye - doch das ist lange her.«
»Und es ist lange her, daß sie Euch um Hilfe angingen!«
»Wahr. Welche Hilfe braucht Ihr nun, Elric von Melnibone?«
»Schaut auf meine Ebene. Ihr werdet sehen, daß ich in Gefahr bin. Könnt Ihr diese Gefahr bannen, Freund der Insekten?«
Eine vage Gestalt bildete sich, wurde sichtbar wie durch mehrere Schichten Gaze. Elric versuchte den Blick darauf zu richten, doch die Erscheinung glitt immer wieder aus seinem Wahrnehmungsbereich, um gleich darauf für wenige Sekunden zurückzukehren. Er erkannte, daß er in eine andere Ebene der Erde blickte.
»Könnt Ihr mir helfen, Nnuuurrrr'c'c?«
»Habt Ihr keinen Schutzherrn der eigenen Rasse? Einen Lord des Chaos, der Euch helfen kann?«
»Mein Schutzherr ist Arioch, und der ist günstigstenfalls sehr temperamentvoll. In letzter Zeit hilft er mir nur wenig.«
»Dann muß ich Euch Verbündete schicken, Sterblicher. Aber wenn dies geschehen ist, wendet Euch nicht mehr an mich!«
»Ich werde Euch nicht mehr rufen, Nnuuurrrr'c'c!«
Die seltsamen Schleier verschwanden, und mit ihnen das unheimliche Gebilde. Der Kampflärm brach
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