Die See des Schicksaals
finden«, antwortete der Albino. Er stieg über ein Stück Mast und ging unter Deck.
Graf Smiorgan Kahlschädel blickte auf den schmutzigen Schaum an der Wasseroberfläche und wandte sich schaudernd ab.
4
Der beschädigte Schoner bewegte sich nur noch schwerfällig, als die Besatzung über Bord stieg, um das Schiff mit Tauen auf den Schlamm zu ziehen, der das Ufer der Insel bildete. Vor ihnen erhob sich eine undurchdringlich wirkende Laubwand. Smiorgan folgte Elric in das flache Wasser.
Sie wateten an Land.
Als sie das Wasser verließen und den harten, ausgetrockneten Boden erreichten, starrte Smiorgan auf den Wald. Kein Windhauch bewegte die Blätter der Bäume, und eine absonderliche Stille hatte sich herabgesenkt. Keine Vögel sangen oder keckerten in den Bäumen, keine Insekten summten, kein Ruf ertönte, kein Kreischen gellte, wie es während der Flußfahrt immer wieder zu hören gewesen war.
»Deine übernatürlichen Freunde scheinen nicht nur die Wilden verscheucht zu haben«, brummte der Mann mit dem schwarzen Bart. »Die Insel wirkt geradezu ausgestorben.«
Elric nickte. »Seltsam.«
Herzog Avan näherte sich von hinten. Er hatte seine prunkvolle Kleidung - beim Kampf sowieso ruiniert - abgelegt und trug ein gepolstertes Lederwams und Wildlederhosen. Das Schwert hing an seiner Hüfte. »Den größten Teil der Männer müssen wir beim Schiff zurücklassen«, sagte er bedauernd. »Sie sollen es reparieren so gut es geht, während wir uns auf die Suche nach R'lin K'ren A'a machen!« Er zog seinen dünnen Mantel enger um sich. »Bilde ich mir das nur ein, oder herrscht hier eine seltsame Atmosphäre?«
»Wir haben uns bereits darüber unterhalten«, antwortete Smiorgan. »Alles Leben scheint von der Insel geflohen zu sein.«
Herzog Avan grinste. »Wenn unsere übrigen Gegner alle so furchtsam sind, haben wir keine Probleme mehr. Ich muß zugeben, Prinz Elric, hätte ich dir ans Leder gewollt und dann miterleben müssen, wie du diese Ungeheuer aus der Luft herbeizaubertest - ich würde es mir gut überlegen, ehe ich mich wieder in deine Nähe wagte! Übrigens vielen Dank für dein Bemühen. Ohne dich wären wir jetzt wohl längst vernichtet!«
»Du hast mich gebeten, dich zu begleiten, damit ich dir helfe«, sagte Elric erschöpft. »Wir wollen essen und uns ausruhen und dann unsere Expedition fortsetzen.«
Ein Schatten glitt über Herzog Avans Gesicht. Etwas an Elrics Verhalten störte ihn.
In den Dschungel einzudringen, war keine Kleinigkeit. Mit großen Äxten begannen die sechs Besatzungsmitglieder - mehr konnten nicht erübrigt werden - auf das Unterholz einzuhacken. Und die unnatürliche Stille nahm kein Ende.
Als es Abend wurde, waren sie noch nicht einmal eine halbe Meile tief in den Wald eingedrungen und am Ende ihrer Kräfte. Der Dschungel war so dicht, daß sie kaum einen Platz fanden, das Zelt aufzustellen. Das einzige Licht im Lager kam von dem kleinen flackernden Feuer vor dem Zelt. Die Seeleute schliefen im Freien, so gut es ging.
Elric konnte nicht schlafen, doch nicht der Dschungel hielt ihn wach. Die Stille verwirrte ihn, war er doch sicher, daß nicht ihre Gegenwart die Tiere verscheucht hatte. Kein Nagetier, Vogel oder Insekt machte sich bemerkbar. Spuren tierischen Lebens gab es nicht. Seit langer Zeit lebten nur die Pflanzen auf der Insel - vielleicht seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden. Elric dachte an einen anderen Teil der alten Legenden um R'lin K'ren A'a. Wenn die Götter sich dort zu einem Treffen einfanden, verschwanden angeblich nicht nur die Einwohner, sondern auch das ganze Wild. Niemand hatte es je gewagt, den Blick auf die Hohen Lords zu richten oder ihr Gespräch zu belauschen. Elric erschauderte und drehte den weißen Kopf hierhin und dorthin auf dem zusammengerollten Mantel, der sein Kissen war, und seine roten Augen blickten gequält. Wenn es auf der Insel überhaupt Gefahren gab, dann verstecktere Gefahren als solche, die ihnen auf dem Fluß begegnet waren.
Als sie sich am nächsten Morgen weiterkämpften, war der Lärm ihres Vordringens das einzige Geräusch, das auf der Insel zu hören war.
Magnetsteine in einer Hand, die Karte in der anderen, versuchte Herzog Avan Astran die Richtung zu bestimmen und gab Anweisung an seine Männer, wo der Pfad zu schlagen war. Trotzdem kamen sie immer langsamer voran; es war klar, daß sich hier lange Zeit kein Lebewesen mehr aufgehalten hatte.
Am vierten Tag erreichten sie eine natürliche Lichtung aus flachem
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