Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die See des Schicksaals

Die See des Schicksaals

Titel: Die See des Schicksaals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
Vom Netzwerk:
Jahrhunderte lang bestanden hatte -was hatte sie so werden lassen? Vielleicht war das Geheimnis wirklich in R'lin K'ren A'a zu finden - in nicht greifbarer Form, sondern in der Ausstrahlung des dunklen Dschungels und der mächtigen alten Flüsse. Vielleicht gelang ihm hier endlich die wahre Rückbesinnung auf sich selbst.
    Elric fuhr sich mit den Fingern durch das milchweiße Haar, und in seinen Augen standen unschuldige Pein. Womöglich war er der letzte seiner Art - und doch glich er dieser Art gar nicht. Smiorgan irrte; Elric wußte, daß alles Existierende ein Gegenstück hatte. In der Gefahr mochte er Frieden finden. Dabei lag natürlich im Frieden auch Gefahr. Als unvollkommene Kreatur in einer unvollkommenen Welt würde er immer wieder auf Widersprüche stoßen. Und das war der Grund, warum in einem Widerspruch zugleich immer eine Art Wahrheit lag. Aus diesem Grund florierte das Geschäft von Philosophen und Wahrsagern. In einer vollkommenen Welt hätten sie keinen Platz gefunden. In einer unvollkommenen Welt gab es immer Rätsel ohne Lösung - folglich auch eine große Auswahl an Lösungen.
    Am Morgen des dritten Tages kam die Küste in Sicht, und der Schoner suchte sich seinen Weg zwischen den großen Sandbänken des riesigen Deltas und ankerte schließlich in der Mündung des dunklen, namenlosen Flusses.

3
    Der Abend brach an, und die Sonne sank über den schwarzen Silhouetten der dichtstehenden Bäume nieder. Ein schwerer alter Geruch entströmte dem Dschungel, und durch die Dämmerung hallten die Schreie unbekannter Vögel und Vierbeiner. Elric hätte die Fahrt flußaufwärts am liebsten sofort angetreten. Schlaf - ein nie willkommener Gefährte - war jetzt geradezu unmöglich zu erlangen. Reglos stand der Albino an Deck, seine Augen blinzelten selten, sein Gehirn erlebte kaum einen Gedanken, als erwarte er, daß etwas mit ihm geschehen würde. Die Sonnenstrahlen verfärbten sein Gesicht und warfen schwarze Schatten auf die Planken; dann war es dunkel und still unter dem Mond und den Sternen. Elric wollte sich von dem Dschungel aufsaugen lassen. Er wollte eins sein mit den Bäumen und Büschen und den dahinschleichenden Tieren. Er wollte jeden Gedanken verbannen. Er zog die stark duften de Luft in seine Lungen, als würde sie allein ausreichen, ihn zu dem zu machen, was er in diesem Augenblick zu sein wünschte. Das Summen der Insekten wurde zu einer murmelnden Stimme, die ihn in das Herz des uralten Waldes rief. Trotzdem konnte er sich nicht bewegen - konnte nicht antworten. Schließlich kam Graf Smiorgan an Deck, berührte ihn an der Schulter und sagte etwas. Widerstandslos ging er unter Deck zu seiner Koje, rollte sich in seinen Mantel und lauschte weiter auf die Stimme des Dschungels.
    Selbst Herzog Avan war schweigsamer als sonst, als sie am nächsten Morgen den Anker lichteten und gegen die langsame Strömung anzurudern begannen. Im Laubwerk über ihren Köpfen zeigten sich nur wenige Lücken, so daß sie den Eindruck hatten, in einen riesigen düsteren Tunnel einzufahren und das Sonnenlicht mit dem Meer hinter sich zurückzulassen. Helle Pflanzen wanden sich um die Ranken, die vom Laubdach herabhingen und sich in den Schiffsmasten verfingen. Rattenähnliche Tiere mit langen Armen schwangen sich von Ast zu Ast und musterten die Eindringlinge mit blitzenden, wissenden Augen. Schräge Bahnen Sonnenlicht fielen auf das Deck herab und verbreiteten grünliche Helligkeit. Elric war auf der Hut - mehr als je seit dem Augenblick, da er sich bereiterklärte, Herzog Avan zu begleiten. Ihn interessierte jedes Detail des Dschungels und des schwarzen Flusses, über dem sich ganze Insektenhorden wie erregte Nebelwolken bewegten und in dem Blüten schwammen wie Blutstropfen in Tinte. Überall raschelten, quiekten, bellten und gurgelten Fische und andere Flußtiere auf der Jagd nach Wesen, die von den Schiffsrudern aufgestört worden waren. Die Männer begannen über Insektenstiche zu klagen, doch Elric blieb unbehelligt, wohl weil sich kein Insekt für sein mangelhaftes Blut interessieren mochte.
    Herzog Avan ging an ihm vorbei. Der Vilmirier schlug sich vor die Stirn. »Deine Laune scheint sich gebessert zu haben, Elric.«
    Elric lächelte geistesabwesend. »Mag sein.«
    »Ich muß zugeben, daß ich dies ein wenig bedrückend finde. Ich wäre froh, wenn wir die Stadt schon erreicht hätten.«
    »Du bist immer noch überzeugt, daß du sie findest?«
    »Ich lasse das Gegenteil erst gelten, wenn wir jeden

Weitere Kostenlose Bücher