Die Seele der Elben
sie taten mir nicht den Gefallen, weiter über den Magus und sein voraussichtlich ungutes Schicksal zu plaudern. Ich hörte die Haustür klappen, dann war es wieder still.
Ranvidar hatte von zwei oder drei Anwesenden im Haus gesprochen. Falls der erste, den ich beobachtet hatte, nun nicht bei dieser Gruppe gewesen war, war er womöglich noch immer irgendwo hier im Haus. Ich ging also sehr vorsichtig weiter und setzte meinen Rundgang im Obergeschoss fort.
Hier bot sich mir das gleiche Bild, reihenweise leere oder fast leere Räume. Ich begann mich zu fragen, ob hier wirklich jemand wohnte, aber Ranvidar zufolge war dies das Anwesen des Herrn von Wasserberg und seiner Familie â oder was auch immer die Elben in seiner Gesellschaft sein mochten. Aber wenn der Elbenherr hier wohnte, dann war er ein wahrhaftiger Asket. Ich war einigermaÃen erleichtert, als ich am Ende meines Rundganges einige Schlafräume mit ganz gewöhnlichen Betten fand. Zwar waren auch diese Zimmer sehr karg, beinahe mönchisch eingerichtet, aber ihre Existenz beruhigte mich doch insofern, als ich begonnen hatte anzunehmen, dass die Bewohner dieses seltsamen Hauses allesamt Geschöpfe waren, die des Nachts herumgeisterten und tagsüber kopfunter in irgendwelchen Kellergewölben hingen.
Ich kehrte zur Treppe zurück und horchte. Keine Bewegung, keine Stimmen, also lief ich hurtig die Stufen hinunter und zögerte vor dem Abstieg in den Keller. Niemand war zurückgekommen, jedenfalls hatte ich nichts dergleichen vernommen. Sollte ich beenden, was ich angefangen hatte, und gleich auch den Keller durchsuchen?
Die Entscheidung wurde mir abgenommen. Ich hörte drauÃen Ranvidar einen ihrer gräÃlichsten Schreie ausstoÃen. Es klang, als mache sich ein riesenhaftes Raubtier bereit, über eine verängstigte Lämmerherde herzufallen. Die Bedeutung des Schreis war klar: Sieh zu, dass du da rauskommst!
Ich machte auf der ersten Treppenstufe nach unten kehrt und lief zur Haustür.
Eine Kalesche mit geschlossenem Verdeck rollte die Auffahrt hinauf. Ich verlor keine Zeit, sondern stürzte aus der Tür und rannte über die Rasenfläche, Haken schlagend und die Büsche und Bäume als Deckung nutzend, bis ich wieder an der Stelle der Mauer angekommen war, über die ich in den Garten gestiegen war.
Der freundliche Busch half mir bei meiner Flucht, und ich fiel mehr, als ich kletterte, auf der anderen Seite von der Mauer und sah mich hektisch nach Ranvidar um. Sollte dieser unselige Vogel sich am Ende ohne mich aus dem Staub gemacht haben? Ein durchdringendes Zischen lieà mich herumfahren.
Ranvidar hockte geduckt zwischen den Bäumen in einem ausgesprochen dornig aussehenden Gestrüpp und klappte wild mit dem Schnabel.
»Und â was hast du gefunden?«, fragte sie und arbeitete sich aus dem Busch, den sie dabei halb entwurzelte. Ich erstattete ihr Bericht, und sie zischte enttäuscht. »Du musst zurückgehen. Du musst den Keller auch noch durchsuchen. Ãberhaupt, wer fängt denn bei so etwas oben an â finstere Geschäfte spielen sich immer unter der Erde ab!«
»Lass das keinen Zwerg hören«, murmelte ich. »Ranvidar, ich kann jetzt nicht dorthin zurück, das weiÃt du. Lass uns zurückfliegen.«
Sie stapfte missmutig zum Kartoffelacker zurück und zupfte dabei Dornen aus ihrem Gefieder. »Wir warten«, sagte sie. »Sie werden wieder gehen und dann bringe ich dich dorthin zurück.«
Ich betrachtete missmutig die Erdbrocken, die an meinen Stiefeln klebten. »Das kommt nicht in Frage«, sagte ich. »Ich hätte mich überhaupt nicht auf dieses Spiel einlassen dürfen! Der Herr von Wasserberg ist ein unbescholtener Mann â und überhaupt, wer hat jemals davon gehört, dass Elben Eier stehlen?«
Ranvidar schnaubte, bei einem Adler ihrer GröÃe ein unbestreitbar furchterregendes Geräusch. Ich lieà mich aber nicht einschüchtern. »Hör zu«, sagte ich versöhnlich, »wir fliegen jetzt zurück. Du setzt mich im Schloss ab und ich rede mit Maris. Vielleicht hat er eine Idee.«
Sie erwiderte mürrisch »Na gut«, aber ihre Augen leuchteten. Ich weià nicht, warum Maris von allen Geschöpfen mit Flügeln so geschätzt wurde, aber seine Anziehungskraft machte offensichtlich auch nicht vor Riesenadlern halt.
Erleichtert kletterte ich auf Ranvidars Rücken, und wir erhoben uns
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