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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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dazu habe ich kein Recht. Ich bin nicht dein Vater und nicht dein Ehemann.« Sie konnte sein Lächeln nur erahnen, denn sein Gesicht lag in tiefem Schatten. »Leider.«
    Vanandel holte tief Luft: »Was meinst du mit leider ?«
    Er drückte ihre Hand und ließ sie los. »Vergiss, was ich gesagt habe«, sagte er und entfernte sich ein paar Schritte. »Vergiss es einfach. Ich möchte nicht, dass unbedachte Worte zwischen uns stehen. Verzeih mir!«
    Sie schnappte erneut nach Luft. »Das werde ich nicht tun!«, sagte sie scharf. »Ich werde nicht vergessen, was du gesagt hast.«
    Er stand da, mit geneigtem Kopf und herabhängenden Schultern, wie ein stolzer Baum, der nur mühsam einem Sturm standhielt. Ehe er etwas sagen konnte, fuhr sie fort: »Niemand, an dem mir etwas liegt, hat je so etwas zu mir gesagt.« Sie zögerte. »Aber es gab auch niemanden, an dem mir etwas liegt. Bisher.«
    Er hob den Kopf. Sie erkannte, dass sein blinder Blick sie suchte, dass seine Augen verzweifelt versuchten, sie zu erkennen. Mit zwei schnellen Schritten war sie an seiner Seite, ergriff seine Hand und legte sie an ihr Gesicht.
    Seine Finger ertasteten die Konturen ihrer Wangen, ihre Lippen, die Form ihrer Augen.
    Sie schloss die Augen und hielt ihr Gesicht seinen sanften Berührungen zugewandt, die wie ein Frühlingsregen über ihre Haut flossen.
    Seine Hand entfernte sich von ihrem Gesicht, und sie spürte, wie seine Lippen mit einer Berührung wie von Schmetterlingsflügeln ihre Wange streiften. »Danke«, sagte er. Dann war er fort, und sie stand ein wenig verloren in der raschelnden, atmenden Dunkelheit des Parks und schalt sich ein dummes, albernes, herzklopfendes Ding.

Raakus, Drachenmond, im zweiten Register
nach dem Großen Regen, Jahr des Luchses

    Mitten in der Nacht klopfte es hart an das Fenster zu meiner kleinen Schlafkammer. Ich war noch wach und las im Schein einer Lampe meine Notizen des Tages durch und fragte mich, wo mein Gefährte, der Elbenbarde, sich wohl herumtreiben mochte, denn ich hatte ihn nicht in unseren Räumen vorgefunden, als ich spät am Abend aus der unordentlichen Bibliothek des Markgrafen gekommen war. Ich hatte einen langen, verwirrenden Tag hinter mir, in dem mir der Markgraf die halbe Zeit in den Nacken geatmet und in verlockenden Farben die Vorzüge einer Anstellung bei Hofe ausgemalt hatte.
    Also öffnete ich das Fenster und erwartete halb, Maris dort draußen stehen zu sehen, ebenfalls auf der Flucht vor Markgraf Wigher.
    Aber es war Ranvidar, die dort saß und mir, kaum dass ich das Fenster geöffnet hatte, zuzischte: »Komm mit, Tijan.«
    Es gibt immer wieder Momente im Leben, in denen man nicht zögert, zaudert, nachfragt, sondern einfach handelt. Denn ehe ich mich versah, saß ich auf ihrem Rücken und wir flogen durch die Nacht.
    Ich wusste, wie ungern Ranvidar im Dunkeln flog. Was auch immer sie jetzt dazu trieb, musste von überaus großer Bedeutung für sie sein.
    Der Wind pfiff eisig um meine Ohren, die zwar keine Elbenohren, aber immer noch spitzer als die der Menschen sind, und damit weitaus empfindlicher. Ich wünschte mir nicht zum ersten Mal eine warme, gefütterte Kapuze an meiner Kutte, aber so einen Luxus sah die Kleiderordnung meines Ordens leider nicht vor.
    Ich klammerte mich fest, denn der Flug wurde nun ein wenig holperig, und verzichtete darauf, meine Fragen nach vorne zu brüllen. Irgendwann, irgendwo würden wir landen, und bis dahin musste ich mich wohl oder übel gedulden.
    Wir flogen nach Südwesten, und ich war erstaunt, als Ranvidar schon sehr bald wieder landete. Ich stand auf einem Kartoffelacker, sah mich um und fror. »Was machen wir hier?«, fragte ich meine Entführerin.
    Â»Eierdiebe«, zischte sie.
    Ich schaute mich ein zweites Mal um. Da war dieser matschige Acker, ein Wäldchen in der Nähe und in der Ferne eine Weide mit Kühen. Ich pustete ein wenig Wärme in meine Finger und fragte Ranvidar, die sich mit gesträubtem Gefieder, gerecktem Hals und wilden Augen umsah: »Liebes, geht es dir gut?«
    Sie fuhr herum und fauchte: »Gut! Wenn ich diese Bande erwischt und ihnen die Haut abgezogen habe, geht es mir gut!« Sie fuhr mit ihrem Fang in den weichen Boden und schleuderte eine Erdscholle in die Luft, die etliche Längen weiter wieder zu Boden klatschte. Ich konnte mir vorstellen, dass sie dabei den Kopf eines der

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