Die Seele der Elben
Eierdiebe im Sinn hatte, so wild und mordlüstern blitzten ihre Augen.
»Wo sind die Diebe?«, fragte ich. Ranvidar hörte auf, den Acker umzugraben und beugte sich zu mir hinunter.
»Dort drüben ist ein Anwesen«, flüsterte sie durchdringend. »Es gehört diesem Elbenherrn. Er und seine Leute sind alle auf Schloss Raakus, bis auf einen oder zwei und â¦Â«, sie machte eine dramatische Pause, die ich geduldig abwartete, »⦠und den Kronprinzen!« Sie sah mich triumphierend an.
»Ja, schön«, erwiderte ich ratlos. »Der Kronprinz, wie heiÃt er noch«, ich hatte Vanandels Bruder einmal kurz getroffen und er war mir unsympathisch und unbedeutend erschienen. »Also, er und der Wasserbergsche sind dann wohl hier im Landhaus, richtig?«
Ranvidar klappte ungeduldig mit dem Schnabel. »Eierdiebe!«, zischte sie wieder.
»Warte«, sagte ich. »Du willst mir doch nicht erzählen, dass der Kronprinz der Mark sich mit einem Elben zusammengetan hat, um Eier zu stehlen?«
»Nicht irgendwelche Eier! Unsere Brut!«
Ich ging einen Schritt zurück und gab einige begütigende Laute von mir. »Der Kronprinz«, wagte ich dann wieder einzuwenden. »Ranvidar, wir können schlecht während der Verlobungsfeierlichkeiten zum Markgrafen gehen und seinen Sohn des schnöden Eierdiebstahls bezichtigen.«
Sie schnaubte und zischte wie ein Wasserkessel, der zu explodieren drohte. Dann knurrte sie: »Komm mit« und stapfte vor mir her über den Acker auf das Wäldchen zu, was überaus komisch aussah. Adler sind einfach nicht zum Laufen gemacht.
Ich beeilte mich, an ihre Seite zu kommen, und keuchte: »Was hast du vor?«
»Ich zeige dir die Eierdiebe«, sagte sie. »Und du wirst mir helfen, sie zu fangen!«
»Oh, Ranvidar«, stöhnte ich. »Sehe ich aus wie ein Mitglied der Schlosswache? Warum hast du nicht lieber Groszbarrt mitgenommen?«
»Er ist ein Ork«, zischte Ranvidar. »Ein Eierdieb!«
»Das glaube ich nicht«, wandte ich ein. »Ich kenne ihn inzwischen lange genug, er ist ein Ehrenmann.«
Ranvidar hörte mir nicht zu. Sie schob sich zwischen zwei dünnen Bäumchen hindurch, die sich nach rechts und links neigten, und zischelte: »Sei nicht so laut, Bruder Schreiber. Dort hinten ist schon das Haus.«
Ich folgte ihr notgedrungen in das lichte Wäldchen, das eigentlich kaum mehr als ein baumbestandener Streifen war, der eine nicht allzu hohe Mauer verdeckte.
»Was jetzt?«, fragte ich verdrieÃlich. »Wir können doch nicht einfach so hier eindringen.«
»Wir nicht, aber du«, sagte die Adlerfrau. »Steig auf meinen Rücken, dann hebe ich dich auf die Mauerkrone.«
»Ranvidar«, protestierte ich, aber sie half mir energisch auf ihren Rücken und schob mich dann auf die Mauer. Dort stand ich also und sah mich um, ob jemand uns beobachtet hatte.
In einiger Entfernung konnte ich das Haus sehen, ein niedriges, groÃes Gebäude mit einigen Nebengebäuden. Ich sah keine Menschen auf dem Hof oder dem baumbestandenen Areal davor. Was sollte ich hier? Ich drehte mich zu Ranvidar um und sagte: »Ich fühle mich hier einigermaÃen deplatziert, meine Liebe. Meinst du nicht, dass du dir besser einen anderen für diese Aufgabe ausgesucht hättest?«
»Mar Ayomida hat nun mal dich hierhergeschickt«, erwiderte sie zu meiner Ãberraschung.
»Ich glaube nicht, dass die Obere Kapellarin mich nach Raakus geschickt hat, damit ich eure Eierdiebe jage«, wandte ich ein. Sie fixierte mich wortlos. »Also gut, also gut«, gab ich nach. »Jetzt sind wir einmal hier, da kann ich dir auch genauso gut den Gefallen tun. Abgesehen davon, dass ich sonst wahrscheinlich zu Fuà zurückgehen kann, hm?«
Sie nickte wortlos. Ich seufzte und machte mich daran, von der verdammten Mauer wieder herunterzukommen.
Ich fand ein freundlich wachsendes Gebüsch, in das ich mich fallen lassen konnte, und sprang von da aus auf den Boden. Da sich immer noch nichts regte, wagte ich es, quer über die baumbestandene Grasfläche zum Haus zu laufen und mich dort unter ein Fenster zu kauern. Glücklicherweise standen auch hier überall Büsche und Bäume, wie es sich für ein ländliches Anwesen gehörte, sodass ich gute Deckung fand. Wie mir das allerdings dabei helfen sollte, ins Haus hinein zu gelangen, und wie es dann weitergehen
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