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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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sollte, wusste ich nicht.
    Ich wagte es, mich auf die Zehenspitzen zu stellen und durch das Fenster zu blicken. Wenn Ranvidar recht hatte, dann war das Haus so gut wie leer, und es wäre schon erstaunliches Pech gewesen, ausgerechnet in diesem Zimmer jemandem zu begegnen. Ich drückte gegen das Fenster, aber es war fest geschlossen. Ebenso erging es mir mit dem nächsten und übernächsten. Besonders unglücklich war ich darüber nicht – ich konnte nun mit einer guten Entschuldigung unverrichteter Dinge zu Ranvidar zurückkehren. Guten Mutes probierte ich noch das nächste Fenster, das zu einem Eckzimmer gehörte, und mir sank das Herz in unnennbare Tiefen, als es leicht unter dem Druck meiner Finger nachgab und nach innen schwang. Mit einem bitteren Dank an das Große Buch und seine Launen kletterte ich ins Innere des Hauses.
    Das Zimmer war geräumig und kaum möbliert. Ich wartete einen Moment, ob jemand meinen Einstieg bemerkt hatte, und als sich nichts rührte, öffnete ich aufs Geratewohl eine der Zimmertüren und sah hinaus. Das nächste Zimmer war ebenso leer. Und wiederum das nächste und das übernächste präsentierten sich nicht anders. Wenn das hier ein bewohntes Heim war, dann hatte es die merkwürdigsten Bewohner, die man sich vorstellen konnte – zumindest, was ihren Anspruch an Komfort und Bequemlichkeit betraf.
    Ich sah mich schon für den Rest meiner Erdentage durch die endlosen Fluchten von leeren Zimmern wandern, immer noch auf der Suche nach etwas, das ich längst vergessen hatte, ein Geist, verdammt, auf ewig … ein Geräusch unterbrach meine stumme Litanei. Jemand kam. Ich sah mich hektisch um, aber auch dieses Zimmer bot keine Möglichkeit, sich zu verstecken – auch nicht für einen kleinen, verwirrten Frar Scriptor. In meiner Not huschte ich schließlich in den Winkel hinter der Tür und drückte mich an die Wand. Keinen Moment zu früh, denn die Tür ging auf und ein Mann trat ein. Zu meiner Erleichterung verzichtete er darauf, die Tür wieder zu schließen, sondern er ging nur zum Fenster und blickte hinaus. Ich wagte es, meinen Kopf ein wenig hinter der Tür hervorzustrecken, weil ich, wie ich zugeben muss, neugierig war. Wer war dieser Mann und wonach hielt er Ausschau?
    Ich sah nur seinen Rücken und ein Stück seines Profils. Er trug sein helles Haar in einen schlichten Zopf gebunden, und ich konnte die Spitze eines Elbenohres sehen. Also war das einer der Elben aus dem Gefolge des Herrn von Wasserberg. Er seufzte schließlich und schloss das Fenster, kehrte um und ging, die Tür hinter sich zuziehend, wieder hinaus. Ich rutschte an der Wand hinab in die Hocke, denn meine Knie gaben plötzlich unter mir nach. Um Haaresbreite war ich der Entdeckung entgangen – und was hatte mich eigentlich geritten, hier so frech durch ein fremdes Haus zu streifen?
    Trotz des Schreckens nahm ich aber nach einer kurzen Erholungspause meine Besichtigungstour wieder auf. Nun war ich schon einmal hier eingebrochen, jetzt konnte ich auch genauso gut meine Runde beenden, zu der hartnäckigen Adlerfrau zurückkehren und ihr berichten, dass in diesem Hause buchstäblich nichts und niemand zu finden war.
    Zimmer um Zimmer durchwanderte ich, fand einmal einen Raum mit Tisch und Stühlen, einmal einen Salon und dann ein Arbeitszimmer – das waren die einzigen vollständig eingerichteten Räumlichkeiten in diesem seltsamen Haus. Es gab noch ein Obergeschoss, und ich stand vor der Treppe, die sowohl nach oben als auch in einen Keller führte, und überlegte, ob ich diese Etage ebenfalls absuchen sollte, als erneut Schritte sich näherten, dieses Mal begleitet von Stimmen, die aus dem Kellergeschoss drangen. Ich überlegte nicht lange, sondern lief eilig und leise die Treppe hinauf.
    Â»Es hat keinen Sinn«, hörte ich noch jemanden sagen, »das alles bringt uns nicht weiter. Wir sollten jemanden holen, der sich mit der Materie auskennt.«
    Â»Einen Magus, meinst du?«, erwiderte ein anderer Sprecher. »Wo sollen wir deiner Meinung nach so ein Exemplar auftreiben? Und – angenommen, wir finden einen Magus, der bereit wäre, uns zu Diensten zu sein – was sollen wir mit ihm machen, wenn er getan hat, was er tun soll? Wir können ihn danach ja schlecht laufen lassen.«
    Ich verharrte auf halbem Weg, neugierig geworden, worüber die beiden sich unterhielten. Aber

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