Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
Vom Netzwerk:
sarkastisch zu sein, waren beinahe noch schlimmer.
    Â»Selbstverständlich nicht, Hoheit. Ich habe nur auf dem Weg in meine Kammer jemanden durch den Gang huschen sehen, der mir verdächtig erschien.«
    Â»Oho. Einen heimtückischen Meuchler? Sollte ich gar die Schlosswache rufen lassen?« Wigands Stimme verkündete deutlich, dass er besagte verdächtige Erscheinung für eine Ausgeburt der Phantasie – genauer gesagt, des Weinkruges – hielt. Der Barde erwiderte nichts, aber als Vanandel um die Ecke linste, sah sie, dass er sich ein Stück von der Treppe entfernt hatte und ganz offensichtlich versuchte, dem Prinzen zu entkommen.
    Â»Hoheit, wenn ich mich empfehlen darf.«
    Â»Geh nur. Schlaf deinen Rausch aus. Mein Vater wünscht schließlich deine Dienste, wenn die Verlobung gefeiert wird.« Seine Geringschätzung war deutlich zu spüren. Vanandel erschrak bei den Worten ihres Bruders zutiefst. Verlobungsfeier?
    Sie wartete, bis die Schritte der beiden sich entfernt hatten, dann rannte sie durch die Gänge, immer lauschend, ob ihr der Barde nicht doch noch irgendwo auflauerte. Doch alles blieb ruhig. Sie versteckte sich noch zweimal, weil Bedienstete ihren Weg kreuzten und schloss endlich aufatmend die Tür ihrer Gemächer hinter sich.
    Â»Verlobungsfeier!« , murmelte sie, zog die Mütze vom Kopf und warf sie aufs Bett. »Also, erzähl«, sie drehte sich zu ihrem Imago um, das still in der Ecke saß und sie mit leerem Blick anstarrte.
    Es widerstrebte ihr immer noch, das Ebenbild zu berühren, aber es musste sein. Sie legte ihre Finger um das zierliche Handgelenk des Imagos und wartete. Langsam tröpfelten Bilder in ihren Geist – verworren, undeutlich und vor allem stumm.
    Sie fluchte lautlos, während sie sich bemühte, die unsortierten Eindrücke zu deuten. Das Bankett war anscheinend doch bedeutender gewesen, als sie geglaubt hatte. Sie sah einige Gäste, die ihr Vater nur zu besonderen Anlässen einlud. Mit steigendem Unbehagen erkannte sie, dass der mittlere Sohn des Langländers – oder war es der älteste? – neben ihrem Imago saß. Seinem konzentriert-dümmlichen Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er unter dem Tisch damit beschäftigt, mit ihr zu füßeln. Vanandel stöhnte leise. Der mondelange Streit des Markgrafen mit dem Herrn des Langen Landes um den exakten Verlauf der Grenze am unteren Brin-Lauf war anscheinend beigelegt worden. Der Grenzkonflikt hatte ihr beinahe einen Umlauf Luft verschafft – aber jetzt wurde es offensichtlich ernst. Sie musste sich etwas überlegen.
    Mit einer heftigen Geste ließ sie das Handgelenk des Imagos los und widerstand dem Impuls, sich die Finger abzuwischen. Stattdessen streifte sie den Ring vom Finger und sah zu, wie das Imago schwand. Dieser Vorgang war etwas weniger Übelkeit erregend als das Entstehen der Doppelgängerin, aber sie musste sich dennoch jedes Mal überwinden, nicht die Augen abzuwenden.
    Vanandel schlüpfte in ihr bequemstes Kleid und blickte aus dem Fenster. Es war mitten in der Nacht, aber der Magister begab sich selten vor der Morgendämmerung zu Bett. Vielleicht war jetzt der rechte Zeitpunkt, sich mit ihm zu versöhnen.

    Die Tür schwang nach ihrem zweiten Klopfen auf. Magister Davydd saß auf einem hochbeinigen Hocker vor dem Tisch und beugte sich über eine Schriftrolle.
    Â»Verehrter Magister«, sagte Vanandel und deutete einen Knicks an. »Ich komme, um mich bei dir zu entschuldigen.«
    Seine ungnädige Miene erwärmte sich nicht merklich. »So«, sagte er schlicht.
    Â»Ich habe dich behandelt wie einen Untergebenen«, fuhr Vanandel fort. »Aber du bist mir immer ein väterlicher Freund gewesen, und ich weiß, dass du mir in jedem Fall geholfen hättest, wenn ich dich nur freundlich genug darum gebeten hätte.«
    Â»Hrrrm«, machte der Magister. »Ja, nun.« Er legte die Schriftrolle beiseite und nahm den Kneifer ab. »Kind – Prinzessin – Vanandel«, er räusperte sich, »ich denke, ich … wahrscheinlich habe ich in meiner Sorge nicht bedacht, dass du meiner Hilfe bedarfst. Aber wir sind da in etwas hineingeraten, das ungut ist. Sehr ungut.«
    Vanandel umrundete den Tisch und nahm seine Hand. Sie sah ihm ins Gesicht, und der alte Magus zwinkerte verlegen.
    Â»Magister, ich weiß, dass ich dich in eine unangenehme Lage gebracht habe. Aber mein

Weitere Kostenlose Bücher