Die Seele der Elben
Schreibtisch geworfen. Eins seiner langen Beine hing über der Armlehne, und er lieà beiläufig eine der groÃen, silbernen Münzen über seine Fingerknöchel wandern. Sie tanzte über die Hand, verschwand, tauchte wieder auf, dann waren es plötzlich zwei Münzen, die entgegengesetzt über die Knöchel hüpften, dass Lluis beim Zusehen beinahe schwindelig wurde.
»Nun?«, fragte der Meister ein wenig ungeduldig. Er öffnete die Hände und legte sie auf die Knie. Die Münzen waren verschwunden.
»Ich bin leise«, sagte Lluigolf kurz entschlossen. Das hatte zumindest die Kröte beeindruckt, also musste es irgendwie wichtig sein. »Und ich habe geschickte Finger, auch wenn ich keine Ãbung habe.« Ãbung worin â das hatte er bisher nicht ergründen können.
Der Meister lächelte und lieà eine der Münzen wieder erscheinen. Er warf sie Lluis zu. »Lass sie tanzen«, sagte er.
Lluigolf begann zu schwitzen. Er hatte Ingwin beobachtet, aber er wusste beim besten Willen nicht, wie er das nachahmen sollte. Ungeschickt schob er die groÃe, glatte Münze über seinen Zeigefinger und Ringfinger, dann rutschte sie fort und er musste danach schnappen, damit sie nicht auf den Boden klirrte.
Meister Ingwin lachte. »Lass es gut sein, Junge.« Er legte einen Finger an seine sommersprossige Nase, die durchdringend blauen Augen waren nachdenklich zusammengekniffen. »Was mache ich mit dir? Ich kann dich nicht zu den anderen Novizen stecken. Sie sind zwar jünger als du, aber ich fürchte, sie sind dir ein gutes Stück voraus.« Er hob die Hände und lieà sie wieder sinken. »Verdammte Kröte«, sagte er lachend. »Also gut, Lluigolf. Du bekommst einstweilen Privatunterricht. Lass sehen â Jazep kann gleich heute Mittag mit dir anfangen. Heute Abend meldest du dich wieder bei mir, und morgen könntest du die Exkursion mitmachen. Nur als Zuschauer, aber das schadet nicht.« Er sah Lluigolf erwartungsvoll an, und der dankte beklommen und verfluchte im Stillen Hadmuts Maulfaulheit. Wenn sie ihm doch wenigstens angedeutet hätte, was er hier zu erwarten hatte.
Bis zu seiner ersten Unterrichtsstunde bei dem dicken Jazep wanderte er durch das Haus und den kleinen Garten und erkundete die Ãrtlichkeiten. Den Grundriss des Hauses hatte er nach der ersten Verwirrung schnell durchschaut. Die Räume des Hauptgebäudes waren rechts und links der groÃen Treppe angeordnet; die Treppe, die ihn zu Magister Ingwins Arbeitszimmer geführt hatte, verband die Wirtschaftsräume und das Kellergeschoss miteinander. Er hatte einen Burschen beim Fegen der Treppe getroffen, der sich gerne bei der Arbeit unterbrechen lieÃ, um ihm ein paar Fragen zu beantworten. Der hatte ihm erzählt, dass in dem kleinen Nebengebäude, das ihm bei seinem Eintreffen aufgefallen war, die Schüler wohnten, die kurz vor ihrem Abschluss standen.
Der Garten war klein und verwildert. Er saà lange unter den tiefhängenden Zweigen einer Birke, fühlte das weiche Moos unter seinen Fingern und sehnte sich nach den Wäldern von Weidenheim.
Die Glocke rief ihn zum Haus zurück. Er war aufgeregt wie eine junge Braut vor ihrer Hochzeit â was würde Jazep ihm beibringen?
Der Raum, den Meister Inwgin ihm genannt hatte, war leer bis auf einen Tisch, zwei Stühle und eine Kleiderpuppe, die mitten im Zimmer stand. Lluigolf betrachtete die Puppe, aber sie war und blieb auch bei näherer Betrachtung genau das, was sie auch auf den ersten Blick gewesen war: eine ganz gewöhnliche Kleiderpuppe, in ordentliche, ein wenig abgetragene Kleidung gehüllt â lange Hosen, Hemd und Jacke, eine Weste mit Uhrkette, ein weiter Ãbermantel.
Lluigolf schüttelte den Kopf. Würde man ihn nach all den seltsamen Prüfungen hier schlieÃlich zum Schneider ausbilden? Die Vorstellung brachte ihn zum Lachen.
»Guter Dinge, mein Junge? Das freut mich«, dröhnte Jazeps jovialer Bass. »Dann wollen wir mal.« Er setzte sich an den Tisch, stellte den Becher ab, den er in der Hand gehalten hatte und deutete auf die Kleiderpuppe. »Zeig mir, was du kannst.«
Lluigolf wandte sich der Puppe zu und verdrehte die Augen. Was sollte er vorführen? Wie man elegant ein Halstuch band? Dann erinnerte er sich an Vibol und daran, wie die Kröte ihn aufgefordert hatte, ein Tüchlein aus seiner Tasche zu ziehen. Also gut. Er fasste in
Weitere Kostenlose Bücher