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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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begrenztes – wie soll ich es nennen? – Fassungsvermögen für die Reize, die es erreichen. Um das zu speichern, was es hört – zusätzlich zu dem, was es sieht – müsste ich dieses Fassungsvermögen vergrößern.« Er verstummte und kratzte sich nun die Nase, sein Blick wurde glasig. Vanandel, die sich inzwischen auf einen Schemel gesetzt hatte, hütete sich, sein Grübeln zu stören und gestattete sich, die Gedanken schweifen zu lassen. Die drohende Verlobung erforderte Maßnahmen, von denen sie gehofft hatte, noch eine Weile keinen Gebrauch machen zu müssen. Sie hatte gehofft, ihrem zukünftigen Ehegespons das Imago unterzuschieben und dann einfach in ihr zweites Leben zu verschwinden. Aber ihr war bewusst, dass selbst ein Dummkopf wie der Sohn des Langländers das Ebenbild auf Dauer niemals für die echte Vanandel halten konnte. Allein deswegen, weil sie wohl schwerlich einmal ihr Kleid wechseln, etwas essen oder schlafen würde!
    Vanandel biss die Zähne aufeinander. Für die Vermählung würde es reichen – sie musste eben zusehen, dass sie gründlich und unauffindbar in den schmutzigen Eingeweiden der Residenz untertauchte. Die Kröte würde ihr dabei sicher helfen.
    Â»Nein, nein, so geht das alles nicht«, rief der Magister aus. Vanandel fuhr zusammen. Magister Davydd sprang auf und eilte zu einer Eichentruhe, um darin herumzuwühlen. Endlich tauchte er aus dem Bauch des hölzernen Ungetüms auf, der Zwicker hing schief auf seiner Nase, und er hielt einen Samtbeutel in der Hand, den er behutsam auf den Tisch legte.
    Â»Das ist Elbenmagie«, sagte er. »Ich habe nie versucht … Nun, wir werden ja sehen, ob es funktioniert.« Er griff in den Beutel und holte einen dunkelgrünen Stein von der Größe einer Kinderfaust heraus, den er in Vanandels Hand legte.
    Â»Festhalten und hineinsehen«, sagte er. Vanandel gehorchte. Sie erwartete, irgendetwas Magisches zu erblicken, aber in der stumpfen Oberfläche des Steines spiegelte sich nur matt das Licht der Lampe.
    Der Magister legte seine Hände um ihre Hand mit dem Stein. Vanandels Finger kribbelten leicht und sie hätte sie gerne ausgeschüttelt, aber Davydd hielt sie fest umschlossen. Er murmelte: »Obtinagglut confutal perspektax.« Sie wollte fragen, was das zu bedeuten habe, aber ihre Lippen wollten sich nicht bewegen und ihre Augen weigerten sich, den Blick von dem Stein zu nehmen.
    Â»Ich möchte, dass du hinhörst«, flüsterte der Magister. »Ganz genau hinhörst. Du willst nichts anderes als hören. Du kannst nichts anderes als hören. Deine Sinne sind blind und fühllos – nur dein Gehör ist so wach und scharf wie das einer Eule.«
    Ihr Blick verschwamm, ein taubes Gefühl breitete sich von den Fingern über ihren ganzen Körper aus. Sogar der stechend-würzige Geruch des Kräuterbündels, das über ihrem Kopf, wurde matt und dumpfig und verschwand schließlich ganz.
    Der Magister bewegte sich, und das Rascheln seiner Kleider war so laut wie ein Gewitter mit kräftigem Wolkenbruch. Sie hörte ein brausendes, kratziges Geräusch und erkannte, dass es sich um seinen Atem handeln musste. Fasziniert lauschte sie dem Branden und Rauschen des Blutes in ihren eigenen Adern, und die raschelnden Bewegungen und trippelnden Füße einer Maus unter dem Regal klangen wie ein Erdrutsch und Trommelwirbel. Ihre gesamte Welt war erfüllt von Geräuschen; es war ihr, als säße sie in einer riesigen Trompete, auf der ein Gigant ein munteres Lied spielte. Sie hätte sich liebend gerne die Ohren verstopft, aber sie konnte sich nicht rühren.
    Lärm und Geräusche schwollen an, umklammerten sie, verstopften ihre Sinne, begannen sie zu ersticken …
    Stille.
    Dröhnende Stille. Ihre Sicht kehrte langsam zurück, sie blinzelte die Tränen fort. »Was war das?«, sagte sie und verstummte. »Ich höre nichts mehr«, stieß sie erschreckt hervor und legte die Hände auf die Ohren.
    Magister Davydd fing den Stein auf und hielt ihn hoch. »Keine Angst«, formten seine Lippen. Vanandel starrte den Stein an, der jetzt in einem kalten grünen Licht leuchtete. Sie streckte die Hand aus und berührte ihn mit den Fingerspitzen. Es knackte schmerzhaft in ihren Ohren.
    Davydd verhüllte den Stein sorgfältig und bedeutete ihr, ruhig zu bleiben. Sie seufzte – ihre

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