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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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die Westentasche der Puppe und zupfte sacht an dem Zipfel des Schnupftuches, das er ertastete. Etwas klingelte. Verblüfft fasste er die Kleider näher ins Auge und sah, dass sie an verschiedenen Stellen mit kleinen Schellen besetzt waren, die bei der leisesten Bewegung des Stoffes klingelten. Lluigolf runzelte die Stirn und bemühte sich, das Tüchlein so sanft aus der Tasche zu ziehen, wie es ihm nur möglich war – was ihm nach dem ersten, zarten Klingeln dann auch lautlos gelang. Er drehte sich um und hielt Jazep stumm das erbeutete Tuch hin.
    Der dickbäuchige Mann grinste breit und prostete ihm zu. »Ganz gut für den Anfang«, sagte er und trank einen großzügig bemessenen Schluck. Etwas Dunkelrotes spritzte aus dem Becher und tropfte auf seine fleckige Weste. »Lass sehen, wie du den Geldbeutel meisterst. Wo steckt er, was meinst du?«
    Lluigolf schluckte schwer. Er musste vollständig blind, taub und schwachsinnig gewesen sein, dass er nicht verstanden hatte, was Vibol von ihm erwartete. Und jetzt stand er hier und sollte allem Anschein nach von diesem freundlichen Dickwanst und seinen Kumpanen lernen, wie man Leute von ihrem Eigentum befreite. Er schloss kurz die Augen, dann drehte er sich wieder der Klingelpuppe zu. Was konnte es schon schaden, ein lebloses Kleidergestell zu bestehlen, wenn er dafür ein Dach über dem Kopf und regelmäßige Mahlzeiten bekam – was die Zukunft bringen würde, musste ihn jetzt nicht bekümmern.

Vanandel ertappte sich dabei, dass sie dem Barden aus dem Weg ging. Sie hatte sich in den letzten Wochen ohnehin kaum im Schloss aufgehalten, dazu war sie einfach viel zu beschäftigt gewesen. Der Magister hatte sich mit dem Imago noch einmal gründlich befasst. Es übernahm inzwischen den größten Teil ihrer Anwesenheitspflichten bei Hofe – und in den Zeiten dazwischen gab sie vor, erschöpft zu sein und viel Ruhe zu benötigen. Magister Davydd zu einer Bestätigung ihres leicht angegriffenen Zustands zu bringen, war ein hartes Stückchen Arbeit gewesen, sie hatte ihn schließlich mehr oder weniger dazu gezwungen, indem sie gedroht hatte, das gemeinsame Täuschungswerk ihrem Vater zu beichten.
    Der alte Magister war seitdem merklich kühler, wenn sie ihm begegnete, und Vanandel tat ihr Verhalten ein wenig leid. Sie hatte nicht allzu viele Vertraute bei Hofe – und dem Barden grollte sie aus tiefstem Herzen. Sie fühlte sich von ihm verraten und verkauft und war selbst erstaunt, wie tief der Zorn und die Verachtung saßen und wie weh es tat.
    Es war spät am Abend, sie war gerade heimgekehrt, und selbst wenn ihr Hauslehrer und sie noch ein Herz und eine Seele gewesen wären, wäre sie ihm zum jetzigen Zeitpunkt äußerst ungern in die Arme gelaufen. Deshalb huschte sie um die Ecke und drückte sich in eine Vorhangnische. Der Barde kam den Gang hinunter, er pfiff leise vor sich hin und warf alle paar Schritte ein paar glitzernde Bälle in die Luft. Seiner farbenfrohen, schellenbesetzten Kleidung nach war er gerade vor dem Markgrafen und seinen Gästen aufgetreten. Vanandel drückte sich tiefer in die Nische. Er durfte sie nicht sehen, denn das Imago hatte an dem Abendessen teilgenommen – und ihr eigener Aufzug war alles andere als festlich zu nennen.
    Sie erstarrte zu völliger Reglosigkeit, denn er kam so dicht vorbei, dass sie den Dunst aus Wein, Tabakrauch und Schweiß riechen konnte, den er ausströmte. Genau vor ihrem Versteck blieb er stehen, rülpste leise und richtete sein leise klingelndes Gewand. Vanandel hörte, wie er murmelte: »Ich bin es leid, mich für diese Affen zum Narren zu machen. Sieh zu, dass du von hier wegkommst, alter Junge!«
    Etwas klirrte zu Boden, kullerte in die Nische und stieß gegen Vanandels Fuß. Sie erkannte einen der Jonglierbälle des Barden. Ihre Gedanken rasten. Wenn sie ihn einfach zurückrollte …
    Eine Hand tastete unter dem Vorhang über den Boden. Vanandel zog ihren Fuß weg und drückte sich eng an die Wand. Die Hand des Barden stieß gegen ihren Fuß, tastete aber weiter. Vanandel hielt die Luft an. Wenn er den Ball nicht fand, würde er den Vorhang beiseiteschieben – und dann wäre sie in doppelter Erklärungsnot. Hektisch begann sie, mit dem Fuß nach dem Ball zu suchen, ohne dabei den Barden zu berühren. Da war er! Er war hinter ihr in die Ecke gerollt und hing dort

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